Neue Flüchtlingsroute über Kreta?
1. Juni 2016Ein Offizier der griechischen Küstenwache sagte der Deutschen Presse-Agentur in Athen, es gebe inzwischen mehrere Belege dafür, dass die Schlepper verstärkt Seewege über die griechische Insel Kreta für ihre Zwecke nutzen würden. Am Dienstag waren 113 Migranten aus Staaten des Nahen Ostens - darunter 33 Kinder - nach einer Havarie eines kleinen Schiffes an einem Strand auf der griechischen Insel Kreta angekommen.
Bereits am Freitag hatte die griechische Küstenwache 65 Migranten gerettet, deren Boot östlich von Kreta in Seenot geraten war. An Bord waren 65 Syrer, Afghanen und Pakistaner. Unter den Passagieren waren demnach 17 Kinder und zwei schwangere Frauen. Das Schnellboot wurde von einem Ukrainer und einem Ägypter gesteuert. Die Migranten gaben an, sie seien in der Türkei gestartet. Schleuser hätten ihnen versprochen, sie nach Italien zu bringen.
Zwei Männer wurden als mutmaßliche Schleuser festgenommen. Sie stammten aus Kroatien und Montenegro, teilte die Polizei auf Kreta mit. Ihre Herkunft zeigt nach Ansicht des Offiziers der Küstenwache, dass internationale Schleuserbanden am Werk sind. Die Schleuserbosse mit Sitz in der Türkei bräuchten erfahrene Seeleute, die die Routen von der Türkei nach Kreta und weiter bis nach Italien gut kennen, hieß es.
Zwei Schmugglerringe geknackt
Ebenfalls am Freitag zerschlug die griechische Polizei zwei Schmugglerringe, die Flüchtlinge nach Europa schleusten. Nach mehrmonatigen Ermittlungen mit Unterstützung der EU-Polizeibehörde Europol seien 16 Ausländer in Athen festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Darunter waren demnach auch die beiden mutmaßlichen Anführer der Banden, ein Bangladescher und ein Syrer.
Gegen die Verdächtigen, darunter acht Bangladescher, sechs Sudanesen, ein Pakistaner und ein Syrer, wurde ein Verfahren wegen organisierter Kriminalität, Menschenschmuggel und Dokumentenfälschung eröffnet. Die Polizei fahndet noch nach 48 weiteren mutmaßlichen Bandenmitgliedern in Griechenland sowie 51 Komplizen in anderen Ländern.
Nach Angaben der Polizei schickten die Banden den Flüchtlingen per Kurierdienst falsche Papiere und Flugtickets und schleusten sie damit nach Griechenland und weiter in verschiedene EU-Länder. Sieben Komplizen wurden demnach in Tschechien und Frankreich gefasst. Die beiden seit zwei Jahren aktiven Banden boten verschiedene Dienstleistungen zu Preisen zwischen 100 und 5000 Euro an.
100 Boote zerstört
Seit Beginn des EU-Marineeinsatzes gegen Schleuserkriminalität im Mittelmeer sind nach Angaben der Bundesregierung gut 100 Flüchtlingsboote zerstört worden. Etwa ein Jahr nach dem Start der internationalen Operation, durch die illegale Einwanderung von Libyen nach Europa eingedämmt werden soll, seien bis Ende Mai 103 von Flüchtlingen genutzte Boote unbrauchbar gemacht worden. Es handele sich um 85 Schlauchboote und 18 Holzboote. Dies geht aus einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Kleine Anfrage mehrerer Linke-Abgeordneten im Bundestag hervor, die der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch vorlag. Allein in der vergangenen Woche waren mehr als 70 Schlepperboote in Libyen gestartet, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf Kreise im Innenministerium in Rom berichtete. Binnen einer Woche starben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge vermutlich mehr als 1000 Menschen bei dem Versuch, Europa zu erreichen.
Im Rahmen der EU-Mission "Sophia" seien seit dem Vorjahr 69 mutmaßliche Schleuser festgenommen worden, heißt es in der Antwort weiter. Der Linken-Politiker Andrej Hunko vermutet vor diesem Hintergrund, die Operation diene in Wirklichkeit dazu, militärische Kräfte vor Libyen zusammenzuziehen. Der Kampf gegen 'Schleuser' auf hoher See sei vorgeschoben und von vornherein aussichtslos. "Die nun mitgeteilten, dürftigen Zahlen verhafteter Verdächtiger belegen das", so Hunko.
kle/uh (dpa, afp)