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Alles hat seine Ordnung. Für jeden.

Tillmann Bendikowski2. Oktober 2013

Wir stellen jede Woche ein Bild vor und erzählen seine Geschichte. Diesmal gehen wir zurück in das Jahr 1994: Der Bundespräsident und seine Hausnummer

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Weizsäcker, Richard von: Portrait am Tor seines neuen Wohnhauses in der Meisenstrasse 6 in Berlin Dahlem (Foto: ullstein bild)
Bild: ullstein bild - Weychardt

Ein freundlicher älterer Herr steht an einem klaren Wintertag im Januar 1994 vor seinem Haus und lächelt zufrieden in die Welt. So weit, so unspektakulär. Und trotzdem ist das Bild bemerkenswert. Und dies – mit Verlaub, Herr Präsident – nicht, weil es sich bei dem Mann um den noch amtierenden Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker handelt, sondern weil vor seinem neu erworbenen Haus in der Meisenstraße in Berlin-Dahlem groß und deutlich eine Hausnummer zu erkennen ist. Dass es überhaupt solche Nummern gibt, ist allerdings keine Errungenschaft deutscher Präsidenten …

Auch wenn man es annehmen möchte: Die Hausnummern sind nicht einmal eine Erfindung der Deutschen, sondern vielmehr ein regelrecht europäisches Projekt. Zudem wurde die Zahl an der Tür nicht eingeführt, um den Bewohnern einen Gefallen zu tun. Vielmehr war die Obrigkeit im 18. Jahrhundert der Idee verfallen, das private Haus zu registrieren, um es besser kontrollieren und gegebenenfalls mit Abgaben belegen zu können. Auch das Militär freute sich über diesen (Fort-) Schritt, weil so die Einquartierung der Mannschaften kolossal erleichtert, weil besser geplant und zügiger umgesetzt werden konnte.

So beschert das 18. Jahrhundert vielen Städten in Europa die neue Ordnung; die Häuser in Madrid und Triest, in Wien oder London beugen sich der Macht der Zahl. Dabei gibt es im Detail durchaus beachtliche Abweichungen: In Mannheim, der wohl symmetrischsten Stadt Deutschlands, wurden beispielsweise die schnurgeraden Straßen nach dem ABC bezeichnet und blockweise durchgezählt (bis heute zugleich ein probates Mittel, Ortsfremde in die Irre zu führen…). Und als Berlin 1799 mit der neuen Ordnung dran war, wurden die Häuser zunächst auf der einen Straßenseite hinauf, dann auf der anderen wieder herunter gezählt.

Übrigens hatten gerade die Herrschenden und die Adeligen anfangs ihre Schwierigkeiten mit den Hausnummern: Sie wollten nicht mit dem gemeinen Volk durchgezählt und somit auf eine Stufe gestellt werden. Aber die Aufregung hat sich längst gelegt, so wie sich seit der Aufklärung ja einiges getan hat im Verhältnis von Volk und Obrigkeit. Womit wir wieder beim Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker sind. Als – wie unser Bild zeigt – etwas schüchtern in die Kamera lächelt, ist das Ende seiner zwei Amtszeiten am 30. Juni 1994 schon in Sicht. Der 74-jährige bezieht seine Villa in Dahlem. Mit der Hausnummer 6. Alles hat eben seine Ordnung. Für jeden – auch für das Staatsoberhaupt.