100 Jahre Hollywood
11. Dezember 2011Die großen amerikanischen Filme hatten ihre Wurzeln in Minsk und Krasnosielc, in Warsawa und Tulchva, in Ricse und Laupheim. Aus diesen - mal abgesehen von Warschau und Minsk - nicht gerade bekannten Städten kamen die wichtigsten Produzenten, die an der Westküste der Vereinigten Staaten das bis heute mächtigste Filmzentrum der Welt aufbauten: Hollywood. Es waren allesamt Juden. Universal-Chef Carl Laemmle stammte aus dem württembergischen Laupheim. Adolph Zukor kam aus dem ungarischen Ricse und baute die Paramount Studios auf. Sein Landsmann William Fox (Fox Film) wurde in Tulchva geboren. Samuel Goldwyn (MGM) kam aus Polen (Warschau), ebenso wie die Warner-Brüder Harry, Albert und Sam (Warner Bros.). Louis B. Mayers (MGM) Geburtshaus stand im weißrussischen Minsk.
Europäische Emigranten
Dass Hollywood und seine großen mächtigen Studios vornehmlich von osteuropäischen Juden errichtet wurden, ist keine neue Erkenntnis. Auch nicht, dass viele berühmte Regisseure wie Ernst Lubitsch und Billy Wilder, Michael Curtiz und Fred Zinnemann ebenso aus den Metropolen Ost- und Mitteleuropas kamen. Dass Schauspieler, Kameramänner, Komponisten und viele andere Filmtechniker Juden waren und jahrelang in Hollywood in Brot und Arbeit standen - all das ist auch schon früher beschrieben worden.
Hollywood-Historie
Trotzdem ist das reich bebilderte und opulent aufgemachte Buch "Bigger than Life – 100 Jahre Hollywood. Eine jüdische Erfahrung", das kürzlich als Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Jüdischen Museums Wien erschien, eine wunderbare Einführung in die Thematik. Herausgeber (und Mitautor) Werner Hanak-Lettner hat dabei viel mehr als "nur" die Geschichte der Juden in Hollywood verfasst. In den 24 Kapiteln fächern er und seine Co-Autoren nämlich die Historie des amerikanischen Filmsystems von seinen Anfängen bis heute auf.
Juden als Italo-Gangster
In allen Kapiteln spielen jüdische Filmschaffende eine herausragende Rolle - wenn auch manchmal aus überraschenden Gründen. So wurden gerade in den legendären Gangsterfilmen der 1930er Jahre ("Little Caesar", "The Public Enemy", "Scarface"), in denen die ethnische Herkunft der Gangster eine große Rolle spielte, häufig Juden eingesetzt. Sie mussten dann freilich "typisch" italienisch- oder irischstämmige Outlaws spielen.
Bigger than life – eine heile Welt
Es gibt wohl keine andere Gruppe, die einen so wichtigen Anteil am Aufstieg Hollywoods hatte wie die jüdischen Emigranten. Sie schufen und beeinflussten mit ihren Filmen eben auch Amerikas Werte und Mythen, Traditionen und Archetypen und gossen sie, wie Hanak-Lettner schreibt, in neue Bilder. Bigger than life – unter dieser Devise gaukelte Hollywood allen eine bunte und heile Welt vor. Dies hing, so glauben die Autoren, ursächlich auch mit dem Schicksal und dem Schaffen jüdischer Künstler zusammen. Dazu heißt es in dem Buch: "Die Ausgrenzung (der Juden) löst eine Sehnsucht aus, sich ein Zentrum herbei zu fantasieren, einen Mainstream, selbst wenn dieser nicht existiert. (…) Es ist nicht überraschend, dass sie die Gelegenheit ergriffen, ein Bild von Amerika weiter zu entwickeln, in dem sie die Geborgenheit, Sicherheit und Tugendhaftigkeit finden konnte."
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Cornelia Rabitz
Werner Hanak-Lettner (Hrgs., im Auftrag des Jüdischen Museums Wien): "Bigger than Life – 100 Jahre Hollywood. Eine jüdische Erfahrung", Bertz + Fischer Verlag 2011, 204 Seiten, mit zahlr. Abbildungen in SW und Farbe, ISBN 978 3 86505 210 0.