Museumschef hielt Münzraub erst für einen Aprilscherz
30. März 2017Deutsche Welle: Waren sie baff, als Sie von dem Raub gehört haben?
Bernhard Weisser: Ja, absolut. Im ersten Moment dachte ich: Aprilscherz! Im zweiten Moment: Alarmübung! Und als ich das dann realisiert habe, begannen mir die Knie zu zittern.
Was haben Sie sich als erstes gefragt?
Die erste Frage war: Wie konnte das passieren? Wie konnten unsere über Jahrzehnte funktionierenden Sicherheitssysteme überwunden werden? Und dann sofort: Ist Personal zu Schaden gekommen? Das ist glücklicherweise nicht passiert.
Wie konnte der Raub passieren? War das Museum ausreichend geschützt?
Es war kein einfaches Bubenstück mit Leiter und Schubkarre, sondern da sind verschiedene Sicherheitssysteme überwunden worden. Die Antwort lautet aber natürlich trotzdem: Nein! Sonst wäre das nicht passiert. Um diese Sicherheitssysteme zu überwinden, hat es ein hohes Maß an krimineller Energie gebraucht. Ich denke, dass wir dazu bald Näheres erfahren werden.
Der Materialwert der Goldmünze liegt wesentlicher höher als der Nennwert. Vermutlich hatten es die Diebe auf das Gold abgesehen. Kunsthistorisch waren sie offensichtlich weniger interessiert. Was bezahlt jetzt die Versicherung?
Diese Goldmünze war eine Leihgabe und deshalb versichert. Wir wissen ja noch gar nicht genau, welcher Schaden entstanden ist. Wir hoffen immer noch, dass sie wieder auftaucht.
Haben Sie als Leihnehmer dieses Objekt versichert?
Ja, wir als Museum.
Welcher Wert der Goldmünze ist der Versicherungsfall - und wird gegebenenfalls erstattet?
Das ist bei Kunst eine schwierige Sache. Bei dieser Goldmünze berechnet man den Materialwert und den Wiederbeschaffungswert. Gemeinsam mit dem Leihgeber kommt man dann auf eine Versicherungssumme, die beiden Parteien angemessen erscheint, die auch den Aspekt der möglichen Wiederbeschaffung mit einbezieht. Natürlich ist das bei einem Objekt, von dem es nur fünf gibt, extrem schwierig. Das ist auch der Grund, warum wir die Nofretete nicht ausleihen - weil der Versicherungswert so hoch wäre, dass ihn kein Mensch bezahlen könnte.
Sie sind Numismatik-Experte. Welche kunsthistorische Bedeutung hatte denn dieses gestohlene Werk?
Wir hatten dieses Objekt seit 2010. Damals haben wir eine Ausstellung zu Goldgiganten veranstaltet. Und die Münze war zum Zeitpunkt ihrer Schaffung die größte und schwerste Münze weltweit, der absolute Goldgigant. Nach dieser Daueraustellung schlugen wir dem Leihgeber vor, dass er sie als Dauerleihgabe im Museum belässt.
Als numismatisches Objekt kann man darüber diskutieren, aber die Royal Canadian Mint [die kanadische Münzprägeanstalt, die die "Big Maple Leaf" prägte, Anm.d.R.] hatte einen guten Grund, diese Münze herzustellen: Sie waren extrem stolz darauf, weil es ihnen gelang, Goldmünzen mit einem extrem hohen Reinheitsgehalt herzustellen und nahmen diese Leistung zum Anlass, diese besonderen Objekte zu schaffen.
Jetzt sind sieben Jahre vergangen, seit Ihnen der Sammler das Objekt überlassen hat. Ist durch diesen Diebstahl Vertrauen zerstört worden?
Wir sind im ständigen Kontakt mit dem Sammler. Das Vertrauen ist sehr groß. Der Besitzer ist natürlich genauso wie wir erschüttert. Aber ich sehe im Moment nicht, dass das gute, vertrauensvolle Verhältnis gelitten hat. Natürlich betrifft ein solcher Angriff ihn genauso wie uns als Museumsmitarbeiter.
Wird er Ihnen noch einmal etwas leihen?
Wir hoffen ja noch, dass das Objekt wieder auftaucht. Und der größte Vertrauensbeweis für uns wäre, wenn wir es - egal in welchem Zustand - dann auch wieder präsentieren können.
Sind Sie da optimistisch?
Ich bin ein optimistischer Mensch. Für mich ist jeder Eimer immer mindestens halb voll.
Bernhard Weisser ist seit Juni 2015 Direktor des Münzkabinetts der Staatlichen Museen Berlin. Das Gespräch führte Stefan Dege.