Bierhoff: "Ich erwarte eine tolle WM"
27. Mai 2013DW: Was erwarten Sie von der Tour in die Vereinigten Staaten mit den Spielen gegen Ecuador und gegen Jürgen Klinsmanns US-Team?
Oliver Bierhoff: Die Vorzüge sind einmal, das wir die Spieler vorzeitig in Urlaub gehen lassen können und vor allen Dingen, das wir mit dieser jungen Mannschaft die Möglichkeit haben, uns den einen oder anderen Spieler über zehn Tage anzuschauen, ihn kennen zu lernen, ihm die Möglichkeit zu geben, sich auch auf internationalen Parkett zu zeigen, seine Qualität unter Beweis zu stellen und auch die Spieler, die bisher eher in der zweiten Reihe standen bzw. nicht die bedeutende Rolle übernommen haben, einfach auch mal in diese Rolle schieben, solch eine Mannschaft bei einem Länderspiel zu führen.
Die Nationalmannschaft steht in der WM-Qualifikation souverän an der Spitze ihrer Gruppe. Das erinnert ein bisschen an 2011 als das vor der EURO ein Jahr später genau so war. Alles in Butter also? Gibt es zurzeit überhaupt keine Probleme bei der Nationalmannschaft?
Wenn ich die letzten zwei Jahre sehe, sind es zwei Hauptaspekte. Zum einen, ein Spiel, das man dominiert, relativ schnell und deutlich zuzumachen. Damit der Gegner nicht wieder zurück kommen kann. Das ist uns häufiger passiert, das wir die Chancen nicht genutzt haben und den Gegner haben rankommen lassen. Daraus leitet sich der zweite Aspekt ab. Wenn wir manchmal im Spiel den Faden verlieren, daß wir die Fähigkeit haben, wieder schnell ins Spiel zu finden. Auch da haben wir häufig zu viel Zeit gebraucht, um wieder in den Rhythmus zu kommen und haben damit auch die Siege in Gefahr gebracht.
Der Bundestrainer bereitet das Team vor auf die WM 2014. Sie waren auf Quartiersuche in Brasilien. Wie muss das DFB-Quartier aussehen? Was haben Sie gesehen? Entspricht das ihren Vorstellungen?
Jedes Land hat seine Eigenheiten. Es war für mich und mein Team interessant, durch Brasilien zu reisen und verschiedene Bereiche kennen zu lernen. Das Land ist ja sehr abwechslungsreich. Die Forderungen ans Quartier sind immer die gleichen. Wir wollen eine positive, tolle Atmosphäre haben. Da geht es um eine gewisse Abgeschlossenheit. Es muss nah zum Flughafen sein, nah zum Trainingsplatz. Wir wollen nicht jeden Tag 20 Minuten zum Training fahren.
Da haben wir in Brasilien nicht ganz so viel Auswahl wie in Deutschland, aber mehr als wir sie in Südafrika hatten. Wir sind nicht noch nicht zu einer Entscheidung gekommen, aber wir haben einige interessante Alternativen gesehen.
Gibt es eine Lieblingsregion, es sind ja weite Entfernungen in diesem Land.
Es sind weite Strecken. Das Problem ist, wir müssen entscheiden, wenn wir nicht wissen, in welcher Gruppe wir sind, also wo genau wir spielen. Es sind teilweise weite Flüge. Deshalb kann man auch den extremen Norden oder Süden ausschließen. In der Gegend Rio, Sao Paulo, Salvador sind die kürzesten Flugzeiten.
Brasilien ist Fußball. Die letzte WM haben sie 1950 ausgerichtet. Was haben sie mitbekommen, wie fiebert das Land, die Fans dem Ereignis entgegen. Was wird das für eine WM?
Es wird eine Super-WM. Davon bin ich überzeugt. Weil die WM dort auf den Straßen erlebt und gefeiert werden wird. Als wir jetzt da waren, haben wir noch nicht so viel davon spüren können. Wir konnten die Lebensfreude der Menschen kennenlernen. Wir konnten sehen, was Fußball und Musik für sie bedeutet. Das dies Freude in ihren Alltag bringt. Ich denke, das wird bei der WM potenziert nach vorn kommen. Ich mache mir keine Gedanken, dass es nicht funktioniert.
Den Confed-Cup Mitte Juni bestreitet die deutsche Nationalmannschaft nicht. Leider oder Gott sei Dank, weil er auch terminlich ein Problem brächte. Hätten Sie ein Jahr vor der WM gern noch mal einen Test mit einem Teil der Weltelite gehabt?
Gerne. Das hätte bedeutet, dass wir letztes Jahr Europameister geworden wären. Dann hätten wir einen Titel schon in der Tasche. Das haben wir versäumt. Wir haben den Confed-Cup mal im eigenen Land gespielt. Er wurde damals auch kritisch beäugt. Aber es ist schön, schon mal so eine Atmosphäre, so eine Stimmung mitzubekommen, einen Testlauf zu haben von so einem Turnier. Auf der anderen Seite haben die Spieler durch die Nichtteilnahme eine längere Pause. Das kann nach so einer langen Saison auch sehr wichtig sein.
Dann als Ferndiagnose. Wie sehen Sie den Weltfußball nationalmannschaftsmäßig eingruppiert? Wer ist vorn?
Wir sind ganz vorn mit dabei. Das haben wir uns erarbeitet. Aber die Luft ist in diesem Bereich sehr dünn. Gerade in Südamerika ist noch kein europäisches Team Weltmeister geworden. Das hoffen wir zu brechen, wir müssen jedoch damit rechnen, das die Südamerikaner, vornweg natürlich Brasilien und Argentinien, nicht nur hochmotiviert sind, sondern auch dieses Heimatgefühl haben. Wir haben bei vielen Turnieren gesehen, wenn diese Stimmung, diese Atmosphäre von den eigenen Fans kommt, dann kann eine Mannschaft beflügelt werden. Ich denke, wir sind mit Brasilien, Argentinien, aber auch den Spaniern und Italienern unter den Top-Favoriten.
Oliver Bierhoff bestritt zwischen 1996 und 2002 70 Spiele für die deutsche Nationalmannschaft und erzielte dabei 37 Tore. Seit 2004 ist er deren Manager.
Das Interview führte Herbert Schalling.