Biennale in Venedig: Goldener Löwe für eine Oper
11. Mai 2019Der Hauptpreis der 58. Biennale für den besten nationalen Beitrag ging diesmal an Litauen mit der Opern-Performance "Sun & Sea (Marina)". Dort wird auf einem künstlichen Strand der westliche Lebensstil des Konsums kritisiert – vor allem das viele Reisen, das den Klimawandel und das Artensterben mit ankurbelt.
Bei der Eröffnungsfeier gewann außerdem der US-amerikanische Filmemacher und Kameramann Arthur Jafa den Goldenen Löwen als bester Künstler für sein Video "The White Album", das sich mit Rassismus und Hass-Video im Internet beschäftigt.
Zuvor hatte die Biennale bereits bekannt gegeben, dass der US-amerikanische Konzeptkünstler, Autor und Aktivist Jimmie Durham den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk bekommt.
Die Jury der 58. Biennale wurde von der Direktorin des Berliner Martin-Gropius-Baus, Stephanie Rosenthal, geleitet.
Die Ausstellung trägt dieses Jahr den Titel "May You Live In Interesting Times" (übersetzt: Mögen Sie zu interessanten Zeiten leben) – in Anlehnung an einen angeblichen Fluch aus dem antiken China. Denn schließlich sind interessante Zeiten nicht auch immer gute Zeiten.
Migration als Kunstthema
Es geht aber nicht nur "interessant" sondern auch stark politisch zu bei der Biennale in Venedig: der deutsche Pavillon zum Bespiel setzt sich mit Themen wie Migration, Integration und Fragen des Zusammenlebens auseinander. Gestaltet wurde er von der deutsch-iranischen Künstlerin Natascha Sadr Haghighian, die in der multimedialen Sound- und Rauminstallation schweigend mit einer Steinattrappe auf dem Kopf unter dem Kunstnamen Natascha Süder Happelmann auftritt.
Der Pavillon, in dem die Installation stattfindet, stammt von der Architekturbiennale des vergangenen Jahres – und zwar so, wie er vorgefunden wurde: Die Wände kaputt und schmutzig, der Eingangsbereich nicht gefegt – genau so hatten Kuratorin Franciska Zólyom und die Künstlerin Happelmann es gewollt.
Bundesaußenminister Heiko Maas betonte bei der Einweihung, Kunst sei der Schlüssel gegen Nationalismus und Abschottung: "Rechtspopulistische und nationalistische Verführer haben zurzeit Hochkonjunktur. Dagegen hilft nur, die Welt kennenzulernen, die Augen zu öffnen für andere Kulturen und so auch auf diesem Weg unsere gemeinsame Humanität zu entdecken".
Flüchtlingspolitik in der globalen Kunst
Der Schweizer Aktionskünstler Christoph Büchel geht ebenfalls auf das Schicksal von Flüchtlingen in seinem Beitrag ein, auf äußerst direkte Weise: sein Stück "Barca Nostra" (übersetzt: unser Schiff) ist das verrostete Wrack eines Fischkutters, der im April 2015 im Mittelmeer unterging. Über 800 Menschen verloren ihr Leben.
Die Französin Laure Prouvost, die 2013 den begehrten Turner-Prize in London gewann, beschäftigt sich mit ihrem Beitrag "Deep See Blue Surrounding You" (übersetzt: Tiefseeblau um Dich herum) ebenfalls mit dem Thema Migration sowie mit der Umweltverschmutzung in den Weltmeeren. Die Kunstnachrichtenagentur artnet News verbreitet zudem das Gerücht, die in Antwerpen ansässige Künstlerin werde als Kommentar zum Brexit einen unterirdischen Tunnel zwischen dem britischen und dem französischen Pavillon buddeln.
Insgesamt sind diesmal Werke aus rund 90 Nationen bei der Biennale, einer der bedeutendsten Schauen zeitgenössischer Kunst, zu sehen – darunter zum ersten Mal Pavillons aus Ghana, Madagaskar und Pakistan.
Außerhalb des deutschen Pavillons sind auch Künstlerinnen wie Alexandra Bircken, Hito Steyerl und Rosemarie Trockel vertreten.
Kritik an 'fake news'
Der US-Amerikaner Ralph Rugoff, der in London die weltbekannte Hayward Gallery leitet, kuratiert die Internationale Ausstellung und erläutert den Biennale-Titel "May You Live in Interesting Times" als Verweis auf den Zeitgeist: "Zu diesem aktuellen Zeitpunkt, an dem die digitale Ausbreitung von 'fake news' und sogenannten 'alternativen Fakten' den politischen Diskurs so sehr zerfressen, sollte man wirklich so oft es geht innehalten und unsere gesellschaftliche Satzung auf den Prüfstand stellen."
"Kunst kann weder den Aufstieg nationalistischer Bewegungen und autoritärer Regierungen in verschiedenen Teilen der Welt aufhalten, noch die tragischen Schicksale von vertriebenen Menschen in aller Welt lindern. Aber indirekt zumindest kann Kunst vielleicht als eine Art Leitfaden dafür dienen, wie Menschen während unserer 'interessanten Zeiten' leben und denken sollten. Was die Kunst zu etwas Besonderem macht ist die Tatsache, dass sie sich geschlossenen Mentalitäten verweigert", sagte Rugoff der Nachrichtenagentur AFP. Die Biennale in Venedig läuft noch bis zum 24. November.