Internet ist Grundrecht
15. Februar 2013Geklagt hatte ein Mann, der in Folge einer Tarifumstellung zwei Monate lang keinen Internetanschluss hatte. Für diese Zeit steht ihm nach dem Urteil ein Schadenersatz zu. Die Summe ist nicht sehr hoch - aber immerhin hat der Bundesgerichtshof die Bedeutung des Internets als wichtigen Bestandteil des modernen Lebens aufgewertet und es mit dem Recht auf Mobilität auf gleiche Stufe gesetzt. Wenn man durch einen nicht selbst verschuldeten Verkehrsunfall eine Zeit lang sein Auto nicht benutzen kann, steht einem ebenfalls Schadenersatz zu.
In der Urteilsbegründung des BGHs heißt es unter anderem: "Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bedient sich täglich des Internets. Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht."
Allgemeines Kopfnicken
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist zufrieden: "Das Urteil zeigt, wie fundamental das Netz für ein informiertes Leben geworden ist. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Internetnutzung ein Bürgerrecht ist." Deshalb sei im Koalitionsvertrag festgehalten, dass es Sanktionen, die die Sperrung des Internetzugangs beinhalten, nicht geben wird.
Die Piratenpartei sieht "weitreichende Konsequenzen" für die Politik, wie Bundesvorstandsmitglied Klaus Peukert in seinem Blog "tarzun.de" schreibt. Wenn der Zugang zum Internet als elementar wichtig betrachtet werde, müssten die Kosten dafür beim Arbeitslosengeld berücksichtigt werden. Vorschläge, notorischen Urheberrechtsverletzern den Internetzugang zu sperren, gehörten zu den Akten gelegt, schrieb Peukert. Und fügt hinzu: "Die Bundes- und Landesregierungen haben weiterhin den klaren Arbeitsauftrag, Zugang zum Internet als Teil der Daseinsvorsorge zu betrachten und die 'weißen Flecken' im Breitband-Atlas zu tilgen."
Diskussion über Netzsperren
Immer wieder wird über die so genannten Netzsperren diskutiert. Die richten sich vor allem gegen ertappte Filesharer, also Nutzer, die beim illegalen Up- und Download erwischt werden. Nach dem so genannten "ThreeStrikes"- System würden bei den ersten beiden Vergehen erst einmal Verwarnungen kommen, beim dritten Mal aber wäre der Nutzer für einen Monat lang vom Netz abgeschnitten.
In Frankreich funktioniert dieses System, das dort unter dem Namen "Hadopi" läuft, seit einigen Jahren offenbar recht gut - durch das Gesetz sind die Urheberrechtsverletzungen im Netz spürbar zurück gegangen. Die so genannte "Content Industrie", also Plattenfirmen und Verlage, wartet schon lange darauf, dass in Deutschland ähnlich gegen illegales Filesharing vorgegangen wird. Doch in Deutschland hat immer noch auf das Recht auf Privatsphäre Vorrang - auch im Internet.
Getauscht wird in der Cloud
Außerdem hat sich der Dateientausch schon längst verlagert. Und spätestens seit der frühere Betreiber der Filesharing-Plattform "megaupload", Kim Schmitz alias Kim Dotcom, mit großem Tamtam seinen neuesten Coup platziert hat, wissen die Nutzer, dass man Daten auch ungehindert in der Cloud austauschen kann. Das heißt, dass man seine Daten nicht mehr auf seinem eigenen Rechner liegen hat, sondern im Netz, was den Vorteil hat, dass man von überall darauf zugreifen kann, wenn man einen Internetzugang hat.
Schmitz' neuer Sharehoster "Mega" ist seit dem 19. Januar 2013 online und ermöglicht es, Dateien in verschlüsselter Form in die Cloud hochzuladen. Diese Plattform wird nicht die einzige bleiben. Und Netzsperren werden nicht der einzige Weg sein, Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.
Daher kann das Karlsruher Urteil zunächst mal als Stärkung des Grundrechts auf Internetzugang betrachtet werden, was für die Anbieter ganz klar bedeutet, dass sie gewissenhafter mit ihren Angeboten umgehen und die Leistung auch wirklich bringen müssen, die sie versprechen.