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Besuch vom Golf in Berlin

Anne Allmeling16. September 2014

Bundeskanzlerin Angela Merkel empfängt den Emir von Katar. Scheich Tamim bin Hamad al-Thani gehört zu den einflussreichsten Staatschefs im Nahen Osten. Doch sein politischer Kurs ist umstritten.

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Tamim bin Hamad al-Thani
Bild: picture-alliance/dpa

Seine Gesten sind würdevoll, sein Gesichtsausdruck ungerührt: Mit keiner Regung verrät Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, was er gerade denkt. Der Emir von Katar weiß genau, was sich für einen arabischen Monarchen ziemt. Zehn Jahre lang wurde er auf seine Rolle als Staatschef vorbereitet, unter anderem in der britischen Militärakademie in Sandhurst. Vor einem Jahr hat er das Amt von seinem Vater geerbt. Jetzt ist der 34-jährige Tamim der jüngste Staatschef der arabischen Welt - und gleichzeitig einer der einflussreichsten.

Das hat der Monarch vor allem den riesigen Mengen an Öl und Gas zu verdanken, die dem kleinen Golfstaat einen unvorstellbaren Reichtum beschert haben. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 100.000 Dollar lag Katar im vergangenen Jahr weltweit an der Spitze. Das Emirat hat sich in den vergangenen Jahren in vielen Großkonzernen eingekauft - auch in Deutschland. Katar besitzt unter anderem Anteile am Volkswagen-Konzern (15,6 Prozent der Stammaktien) und am Bauriesen Hochtief (zehn Prozent). Zudem investiert das Emirat in Siemens und in die Deutsche Bank. Wenn Scheich Tamim am Mittwoch(17.09.2014) Bundeskanzlerin Angela Merkel zu bilateralen Gesprächen trifft, wird es unter anderem um wirtschaftliche Zusammenarbeit gehen.

Kapital für große Konzerne

Die Kataris investieren ihr Kapital in internationalen Konzernen, um es dort über Kurssteigerungen und Dividendenzahlungen weiter zu vermehren. Denn die Rohstoffvorkommen am Golf sind endlich, und das Emirat will seine Wirtschaft diversifizieren. Michael Stephens von der Denkfabrik Royal United Services Institute Qatar (RUSI) erklärt die Strategie: "Die Kataris versuchen, andere Akteure von sich abhängig zu machen, um ihre eigene wirtschaftliche Zukunft abzusichern. Wenn Öl und Gas zu Ende gehen und Katar kein Geld mehr hat, um den hohen Lebensstandard zu gewährleisten, könnte es große soziale Probleme geben. Deshalb investieren die Kataris in vielen verschiedenen Ländern, um zuhause Stabilität zu gewinnen."

Deutschland Frank-Walter Steinmeier besucht Katar Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Enge Beziehungen: Außenminister Steinmeier zu Besuch in KatarBild: picture-alliance/dpa

Tamims Vater, Hamad bin Chalifa al-Thani, hat die Wirtschaftsleistung seines Landes innerhalb seiner Amtszeit (1995 bis 2013) versiebenfacht. Doch wirtschaftlicher Einfluss - das hat dem ehemaligen Emir nicht gereicht. Auch außenpolitisch hat er sich engagiert, zunächst als Vermittler bei innerarabischen Konflikten. 2008 vereinbarten die libanesischen Konfliktparteien mit Hilfe Katars einen Kompromiss, der den Weg zu Neuwahlen ebnete. Ein Jahr später unterzeichneten die sudanesische Regierung und die Rebellen aus Darfur ein Abkommen in Doha.

Ehrgeiziges Emirat

Mit seiner ehrgeizigen Außenpolitik hat sich der ehemalige Emir aber auch zahlreiche Feinde gemacht - unter anderem, weil Katar im Zuge des so genannten arabischen Frühlings die Muslimbruderschaft unterstützte. Nach der ersten freien Wahl von Mohammed Mursi zum neuen Staatsoberhaupt von Ägypten überwies Katars Führung Milliardenkredite nach Kairo. Auch der staatseigene Fernsehsender "Al Jazeera" bezog eindeutig Stellung für die islamistische Bewegung, obwohl sie sich mit zunehmender Machtfülle als undemokratisch entpuppte. Katar erntete für seine Politik lautstarke Kritik.

Katar Presse Newsroom beim Nachrichtensender Al Dschasira in Doha Englisch Foto: Reuters
Umstrittener Sender: Newsroom von "Al Jazeera" in DohaBild: Reuters

Als Scheich Hamad im Juni 2013 überraschend die Herrschaft an seinen Sohn abgab, hofften viele, dass der junge Emir eine Kurskorrektur vornehmen würde. Das sei ihm bislang kaum gelungen, meint Nahost-Experte Stephens: "Katar hat sich international so stark eingemischt, dass es für Tamim sehr schwer ist, sich davon zu lösen und aus dem Schatten seines Vaters herauszutreten."

Kurswechsel in Katar?

Selbst im Golfkooperationsrat (GCC), dem Klub der Golfmonarchien, in dem neben Katar noch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Bahrain und Oman vertreten sind, gab es kürzlich Streit. Im Frühjahr hatten drei der sechs GCC-Mitglieder ihre Botschafter aus Katar zurückgezogen, weil das Emirat an seiner Unterstützung für die Muslimbrüder festhielt. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sehen die islamistische Bewegung als Bedrohung ihrer Herrschaft. Mittlerweile scheint sich Katar dem Druck der Golfmonarchien allerdings zu beugen: Mehrere Führer der Muslimbruderschaft, die sich in Doha niedergelassen hatten, wurden am Wochenende des Landes verwiesen.

Symbolbild - König Abdullah Foto: FAYEZ NURELDINE/AFP/GettyImages
Wichtiger Gegenspieler: König Abdullah von Saudi-Arabien zog seinen Botschafter aus Katar abBild: Getty Images

Wie die anderen Golfstaaten unterstützt Katar die von den USA ins Leben gerufene Allianz gegen die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS), die in den vergangenen Monaten große Teile des Irak und Syriens unter ihre Kontrolle gebracht hat. Auch Deutschland beteiligt sich an der Allianz gegen die Terrorgruppe. Reiche Kataris sollen die radikalen Kräfte in den umkämpften Gebieten finanziell unterstützt haben. Solche Finanzquellen für Islamisten sollen künftig "ausgetrocknet" werden - darauf hat sich die Allianz gegen den "IS" verständigt. Die 29 beteiligten Staaten wollen dafür die gemäßigten syrischen Oppositionskräfte stärker unterstützen. Für Katar könnte das einen Kurswechsel bedeuten - und eine Gelegenheit für Scheich Tamim, ein eigenes außenpolitisches Profil zu entwickeln.