Berührungen lindern Schmerzen und Ängste
8. Juni 2024Berührungen können beruhigend auf uns wirken, wenn wir aufgeregt oder verzweifelt sind. Denn sie wirken sich auf unsere Atmung aus, auf die Körpertemperatur, die Leberfunktion, und sie regulieren das Stresshormon Cortisol. Dieses ist ein Indikator dafür, wie hoch unser Stresslevel ist.
Julian Packheiser vom Institut für Kognitive Neurowissenschaft der Ruhr-Universität Bochum wollte den positiven Effekt von Berührungen genauer untersuchen. Mit einem Team aus Deutschland und den Niederlanden hat er rund 130 internationale Studien ausgewertet.
"Bei Menschen, die unter Schmerzen, Ängsten oder Depressionen litten, waren Berührungen extrem hilfreich", sagt Packheiser. "Nicht so starke Effekte haben wir bei Herz- Kreislauferkrankungen entdeckt, etwa bei hohem Blutdruck oder einer erhöhten Herzrate. Zwar konnten Berührungen auch da helfen, die Beschwerden etwas zu reduzieren, aber der Effekt war viel schwächer und hielt kürzer an."
Auch die Frage, von wem Berührungen ausgeführt werden, hat das Team untersucht und ist dabei zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen. "Wir haben entdeckt, dass zum Beispiel die Berührung von Robotern oder von bestimmten Objekten wie Gewichtsdecken, Umarmungskissen oder auch Kuscheltieren sehr starke, positive Effekte auf die Gesundheit hatten", berichtet Packheiser.
Das Gehirn ordnet Berührungen ein
Bei Berührungen werden spezifische Nervenbahnen in unserer Haut aktiviert, die sogenannten C-taktilen Fasern. Sie teilen dem Gehirn mit, ob eine Berührung als angenehm oder als unangenehm einzustufen ist. Sie haben eine direkte Verbindung zum "Belohnungszentrum" im Gehirn. Bei langsamem, angenehmen Streicheln wird das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet, das die Psyche positiv beeinflusst.
Wenig Körper- und Hautkontakt hingegen können sich negativ auf unsere Gesundheit auswirken. Das hat der Kontakt- und Berührungsmangel in den Zeiten von Corona gezeigt. Viele Menschen mussten zurückgezogen leben, waren isoliert, hatten kaum noch Kontakt mit Freunden und Bekannten. Fehlt körperliche Nähe, entwickeln wir den sogenannten Hauthunger, ein starkes Bedürfnis nach Berührungen und menschlicher Nähe.
Das trifft auch auf viele ältere Menschen zu, die vielleicht isoliert in einer Senioren-Einrichtung leben oder wegen gesundheitlicher Probleme im Krankenhaus liegen. Oft fehlen ihnen Berührungen.
Physische und psychische Auswirkungen
Physisch fördern Berührungen die Durchblutung, sie stärken das Immunsystem und lindern Schmerzen. Therapeutische Berührungen wie Massagen oder Physiotherapie können die Heilung von Verletzungen beschleunigen und chronische Beschwerden lindern.
Auf psychischer Ebene tragen Berührungen wesentlich zur Stabilisierung des Gemüts bei und stärken das Selbstwertgefühl. Menschen, die in einer liebevollen, körperlich zärtlichen Umgebung leben, zeigen tendenziell weniger Anzeichen von Angst und Depression und berichten über ein höheres Maß an allgemeiner Zufriedenheit.
Werden wir nicht oft und intensiv genug berührt, steigt unser Cortisol-Spiegel und mit ihm das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Je häufiger, umso effektiver
Analysiert haben die Forschenden auch, wie oft und wie lange Berührungen sein sollten, um einen möglichst positiven Effekt zu erzielen. "Ein paar kleinere Berührungen, die dann aber häufiger erfolgen, scheinen die gesundheitliche Wirkung zu verbessern", sagt Packheiser.
Frage sich jemand, ob es besser wäre, einmal zu einer längeren Massage zu gehen oder sich drei- bis viermal umarmen zu lassen, sei die Antwort der Studie eindeutig: "Die Umarmungen, auch wenn sie kürzer sind, sind hilfreicher", so Packheiser. Voraussetzung sei jedoch, dass die Berührungen vom Gegenüber gewollt seien und entsprechend positive Gefühle weckten.
Der erste Körperkontakt
Äußerst wichtig sind Berührungen für Neugeborene. Sie erfahren diese meist durch ihre Mutter. Der Tastsinn ist der erste Sinn, der sich bei uns Menschen entwickelt. Noch vor dem ersten Augenöffnen spürt ein Säugling Körperwärme und Berührungen, die ihm Geborgenheit und Sicherheit vermitteln.
Babys, die regelmäßig gehalten und gestreichelt werden, entwickeln sich psychisch und physisch besser als Kinder, die nur wenig Körperkontakt haben.
Durch den Hautkontakt mit der Mutter wird vermehrt das Hormon Oxytocin ausgeschüttet. Bei der Geburt bewirkt es etwa, dass die Wehen einsetzen und dass es zu einer engen Bindung zwischen Mutter und Kind kommt.
Aber auch im Erwachsenenalter spielt Oxytocin eine zentrale Rolle, denn es ist eng mit zwischenmenschlichen Beziehungen verknüpft, es wirkt auf unseren Körper beruhigend und entspannend. Zeitlebens bleibt dieses Hormon für uns Menschen sehr wichtig, denn es fördert unser Bedürfnis nach Nähe und Berührung.