Was wird nun aus Silvio Berlusconi?
28. November 2013"Ich mache keine Anstalten, aus der Politik zu verschwinden" beteuert Silvio Berlusconi am Tag danach. 192 Senatoren haben ihn am Abend des 27. November 2013 in einer offenen Abstimmung des Amtes enthoben. Allerdings: Anzeichen von Resignation oder Kapitulation findet man bei ihm nicht. Im Gegenteil: Mit trotzig zusammengepressten Lippen und dickeren Schulterpolstern als je zuvor tritt er vor die Presse, um die Ungeheuerlichkeit des Vorgangs zu kommentieren. Dabei ist es in einer Demokratie nicht unüblich, dass ein rechtskräftig zu Gefängnis verurteilter Politiker aus dem Amt scheidet.
Aber Italiens Demokratie ist speziell, vor allem, wenn es um Silvio Berlusconi geht. Dass auch er nicht unverwundbar ist, hat er geahnt, aber nicht wahrhaben wollen. Und auch jetzt noch ist sein Sinn für die Realität getrübt. Eine Revision des Prozesses sei zwingend erforderlich, weil es "ganz neue Beweise" für seine Unschuld gebe. Die Protestdemonstration seiner Anhänger in Rom nennt er "erst den Anfang" seines Kampfes für seine Rückkehr auf die politische Bühne. Sogar Ministerpräsident Italiens will er wieder werden. Seine erneut gegründete Partei "Forza Italia" verlangt Neuwahlen und will natürlich Silvio Berlusconi als Spitzenkandidaten aufstellen.
Dabei darf sich der 77-Jährige die nächsten sechs Jahre gar nicht ins Parlament wählen lassen. So will es ein Gesetz vom 31. Dezember 2012, dem seine Abgeordneten bei der Verabschiedung zugestimmt hatten. Doch Berlusconi will es wie Grillo machen. Der frühere Komiker Beppe Grillo führt seine Fünf-Sterne-Bewegung, ohne selbst im Parlament vertreten zu sein.
Geteiltes Echo
Das Medienecho ist groß. Berlusconi beherrscht mal wieder alle Schlagzeilen. Dass seine Zeit - immerhin 20 Jahre lang bestimmte er Italiens Politik - nun zu Ende geht, ruft Bestürzung oder Freude bei den Leitartiklern hervor - je nachdem, ob sie der Berlusconi-freundlichen oder Berlusconi-kritischen Seite angehören. Kaum ein italienischer Politiker hat die öffentliche Meinung und die Bevölkerung so gespalten wie Berlusconi.
Doch auf den Straßen von Mailand, Berlusconis Heimatstadt, wird die Nachricht gelassen aufgenommen. "Da musste man ja mit rechnen", sagt ein gut gekleideter Herr auf dem Weg zur Arbeit im Vorübergehen. "Überfällig" nennt Gianluca, Barista in der Bar Checco, die Senatsentscheidung und räumt zufrieden die benutzten Espressotässchen in die Spülmaschine. Er und seine Kollegen freuen sich über die Senatsentscheidung, "weil Berlusconi den Staat um Steuern betrogen hat, während die kleinen Leute zahlen müssen".
Bürger reagieren gelassen
Diskutiert wird allgemein aber mehr über die Wirtschaftskrise und die Fußballergebnisse als über die Zukunft von Silvio Berlusconi. Nur eingefleischte Gegner des Medienunternehmers erklären, "heute mit einem breiten Grinsen im Gesicht" aufgestanden zu sein. Berlusconis Durchhalteparolen findet der Architekturstudent Roberto Magnotti "amüsant". Man dürfe gespannt sein, was in den nächsten Tagen so komme aus der Mediaset-Ecke. Natürlich macht Berlusconi reichlich Gebrauch von seinen Fernsehsendern, um das Bild des politisch Verfolgten, des unschuldigen Opfers der Justiz in die italienischen Wohnzimmer zu übermitteln. Doch die Italiener kennen ihn nun schon seit 20 Jahren und die Technik ist immer die gleiche.
Der deutsche Unternehmer Axel Kaiser mit Firmensitz in der Toskana sagt, Italien habe in den vergangenen 20 Jahren vor allem Zeit verloren, die eigene Konkurrenzfähigkeit zu stärken. Er hofft, dass sich das nun ändern werde. Berlusconis Auftreten sei grotesk, erklärt Marella Paffi denn auch mit einem Kopfschütteln. Die Endfünfzigerin wünscht sich eine Rückkehr zu Vernunft und Ernsthaftigkeit in der Politik.
Politische Folgen
Italiens Regierungschef Enrico Letta fühlt sich durch Berlusconis Amtsenthebung und den Austritt der "Forza Italia" aus der Regierungskoalition gestärkt. An den inhaltlichen Vereinbarungen, die die große Koalition von rechts und links möglich gemacht hatte, will er jedoch festhalten. Das Gesetz über den Stabilitätspakt, die Reform des Wohlfahrtsstaates und die Steuersenkungen beschäftigen das italienische Parlament seit Tagen.
Seit gestern Abend kann die Regierung zudem auf eine Stimme mehr zählen. Berlusconis Nachfolger als Senator, der noch als Parteimitglied der "Volk der Freiheit" gewählt worden war, hat erklärt, sich nicht Berlusconis "Forza Italia" anschließen zu wollen. Er wird für die Partei des Innenministers Angelino Alfano "Nuovo Centro Destra" ("Neues rechtes Zentrum") im Senat sitzen.