Spionage-Affäre
9. Juli 2014Was kann Deutschland unternehmen, damit Washington seine Geheimdienst- und Überwachungsaktivitäten ändert? Die Antwort ist einfach: Nichts. "Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die USA Deutschland eine Vorzugsbehandlung zukommen lassen, die sie anderen Staaten nicht gewähren können", sagt Alister Miskimmon, Vorstand der Abteilung für internationale Beziehungen an der Universität London.
Keine "deutsche" Angelegenheit
Die USA würden Deutschland nicht von ihrem Geheimdienst-Apparat befreien. Das hätten sie von Beginn an ziemlich deutlich gesagt. "Die USA sind sich sicher, dass die Idee eines No-Spy-Abkommens nicht in Ordnung ist", sagt Daniel Hamilton, geschäftsführender Direktor des Zentrums für transatlantische Beziehungen der Johns-Hopkins Universität in Washington. "Das ist keine deutsche Angelegenheit; das ist nur eine Idee."
Aus der globalen Perspektive einer Supermacht ist die Position der USA nur logisch und war auch zu erwarten. Falls Deutschland - ein Land, das nicht einmal ein Mitgliedsland des anglo-amerikanischen Spionage-Bündnisses "Five Eyes" ist - eine Vorzugsbehandlung bekommen würde, warum sollte die nicht auch allen anderen US-Alliierten quer über den Globus zu Gute kommen? Zu den "Five Eyes" gehören neben den USA auch Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland.
Die Erwartungen, die mit jedem Gespräch über ein No-Spy-Abkommen gestiegen sind, waren unrealistisch. Seither ist es für Berlin schwierig, die erhitzten Gemüter über den Atlantik hinweg zu beruhigen, besonders weil immer wieder Details über die Massenüberwachung der USA ans Licht kommen. Aber Fakt ist, dass Deutschland keinen Einfluss auf das Verhalten der USA hat.
"Dinge ändern sich, aber diese Veränderungen werden nicht von einer deutschen Spitze eingeleitet", bemerkt Hamilton. Er weist auf Obamas Pläne hin: EU-Bürger sollen in den USA vor Gericht ziehen können bei Problemen mit den Geheimdiensten und es gebe Bewegungen im Kongress, die amerikanischen Geheimdienste zu bremsen. "Es ist Teil eines weitreichenden Prozesses in Amerika. Aber das passiert nicht über Nacht."
Wutmanagement
Keine der Ideen, die USA zu bestrafen oder anzutreiben, wie etwa der Versuch Edward Snowden Asyl zu gewähren, Diplomaten einzubestellen oder die Gespräche über das transnationale Freihandelsabkommen abzubrechen, wird dafür sorgen, das Verhalten der USA zu ändern oder den langsamen gesetzgebenden Prozess in Washington zu beschleunigen.
"Was wollen wir erreichen", fragt Sebastian Harnish, Professor für auswärtige Politik an der Universität Heidelberg. "Öffentliche Drohungen oder Sanktionen, nur um etwas zu bekommen, wird die USA nicht dazu bringen, dieses auch zu tun. Das würde Auswirkungen auf all ihre globalen Partnerschaften haben." Und es könnte auf Deutschland zurückfallen, denn Deutschland ist so abhängig von den USA wie umgekehrt.
"Deutschland sollte erst vor der eigenen Tür kehren", fordert Harnish. Seit die Krise ausgebrochen sei, habe man sehen können, dass die deutschen Nachrichtendienste nicht gerade alarmiert gewesen seien, dass die USA Deutschland oder gar die Kanzlerin ausspionieren. Es gebe nur einen praktikablen Weg für Berlin, die Geheimdienstarbeiten der USA zu beeinflussen: Der Weg führe über Brüssel.
Deutscher Einfluss in der EU
"Die beste Strategie für Deutschland wäre, zu versuchen, mehr Einfluss auf die Beziehung zwischen der EU und den USA zu bekommen, beispielsweise beim Freihandelsabkommen TTIP und Safe Harbor." Es sei besser, diese Beziehungen zu stärken, statt bilaterale Versicherungen anzustreben, sagt Miskimmon.
"Im Moment richtet Deutschland öffentlich Vorwürfe und Beschuldigungen gegen die USA, obwohl seine europäischen Partner auch Teil dieser Gleichung sein könnten", sagt Harnisch. Es wäre weiser, mit den anderen Europäern zu reden und dann darüber nachzudenken, wie sie handeln wollen.
Es gebe zwar keine formale Verbindung zwischen den verschiedenen Verträgen zwischen EU und den USA, die derzeit verhandelt werden, aber es gebe sehr wohl eine politische Verbindung, sagt Hamilton. "Für die Verwaltung ist klar, dass, wenn das Freihandelsabkommen TTIP in Kraft treten soll, sie gleichzeitig ein zufriedenstellendes Abkommen zu Datenschutz zwischen EU und USA ratifizieren müssen. Und das müsste nicht nur vom EU-Parlament, sondern auch von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden."
Aber auch wenn die EU einen klaren gemeinsamen Standpunkt zur Privatsphäre gegenüber den USA hat, ist das keine Sicherheit - denn die Geheimdienste von Großbritannien und den USA sind eng miteinander verbunden. Dennoch, der beste Weg für Berlin, die USA dazu zu bringen, ihre Überwachungsaktivitäten zu verändern, führt über Brüssel.