Berlins erster "Copyshop" hat Geburtstag
Altmodisch? Mag sein, aber Berlins erster "Copyshop" arbeitet immer noch auf höchstem Niveau. Seit 200 Jahren wird in der Gipsformerei, die Teil der Staatlichen Museen Berlin ist, alles, was dreidimensional ist, kopiert.
200 Jahre - und noch immer erfolgreich
Lange waren Kopien aus Gips der einzige Weg, Kunstwerke auch jenen Menschen zugänglich zu machen, denen der Besuch des Museums, in dem das Original stand, nicht möglich war. Museen, Bibliotheken oder private Sammler stellten die Kopien stolz aus. Heute sind solche Ausstellungen selten geworden, aber die Berliner Gipsformerei hält das alte Handwerk lebendig.
Das Material ist das Wichtigste
Während der vergangenen beiden Jahrhunderte hat die Gipsformerei vor allem mit Alabaster aus dem Harz gearbeitet. Dieser "weiße Schmuckstein" lieferte die besten Resultate, weil er "nicht lügt", wie Werkstatt-Chef Miguel Helfrich sagt. Die Arbeiter können aber auch wetterbeständigere Materialien verwenden oder etwa Gussformen für Bronzestatuen herstellen.
Malen nach Zahlen
Die Werkstatt verfügt über rund 7000 verschiedene Gussformen - von Miniaturen bis hin zu überlebensgroßen Reiterstatuen oder etwa vom ganzen Pergamon-Fries. Außerdem gibt es rund 3000 Abgussformen verschiedener Materialien, die so original wie möglich bemalt sind. Um die Farben zu schützen, werden diese Formen nur selten dem Tageslicht ausgesetzt.
Die Werkstatt
Zurzeit beschäftigt die Werkstatt 26 Menschen, 18 von ihnen arbeiten im Studio, darunter drei Maler und ein Metallarbeiter. Er baut die Metallskelette, die die größeren Arbeiten zusammenhalten. Die Werkstatt quillt über mit Werkzeugen, Formen und unvollendeten Arbeiten. An der Wand stehen auf Europaletten zwei Kisten mit der Hauptzutat für die Kopien: Alabaster.
Riesenpuzzle
Für die meisten der kleineren Modelle verzeichnet der Werkstattkatalog feste Listenpreise. Für größere Arbeiten gilt: Preis auf Anfrage. Einige Objekte sind seit hundert Jahren nicht mehr bearbeitet worden – ihre Teile müssen erst wieder gesucht und zusammengesetzt werden. Die Werkstatt ist voll mit Formen - und bis heute ist noch nichts verloren gegangen.
Das antike Nilpferd, Teil I
Wenn eine Bestellung eingeht, wird die entsprechende Form herausgesucht. Meistens ist sie selbst aus Gips, heutzutage aber oft aus Silikon. Nachdem die Form gereinigt und wieder zusammengebaut ist, wird sie mit flüssigem Gips gefüllt. Nach dem Trocknen wird das Objekt herausgelöst und mit Sand entgratet. Das ist eine hochspezialisierte Arbeit, die man nur hier in der Gipsformerei lernen kann.
Das antike Nilpferd, Teil II
Gips-Kopien sind strahlend weiß. Die Kunden können sie entweder so bekommen - oder sie lassen sie bemalen, als wären sie aus Holz, Marmor, Elfenbein oder Ton. Die Hälfte der Formen stammt aus Berliner Museen - die Gipsformerei selbst ist Teil der Staatlichen Museen Berlin. Sie muss keinen Gewinn machen, in guten Jahren kann aber schon mal eine Million Euro zusammenkommen.
Das antike Nilpferd, Teil III
Es ist eine kleine Gruppe von Malern, die den Abgüssen ihr endgültiges Aussehen verleihen. Hier haben sie ein 4000 Jahre altes Objekt aus Theben kopiert. Das fertige Nilpferd sieht exakt so aus wie das Original und kostet 586 Euro. Im Sommer 2019 bekommt die Werkstatt ihre erste eigene Ausstellung: in der von David Chipperfield gebauten und gerade eröffneten James-Simon-Galerie.