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Berlins Problemflughafen

Kay-Alexander Scholz31. Juli 2012

Juristisch ist mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in der Berliner Flughafenaffäre Ruhe eingekehrt. Auf der politischen Ebene aber geht der Streit weiter - er ist auch Bewährungsprobe für die Piratenpartei.

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Das Terminal des neuen Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Am Dienstag (31.07.2012) hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Klage von Anwohnern zurückgewiesen, mit der sie die Betriebsgenehmigung für den Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) kippen wollten. Hintergrund der Klage ist, dass jahrelang andere Flugrouten genannt wurden, als nun geflogen werden sollen. Folge ist, dass tausende Berliner und Brandenburger von Fluglärm betroffen sein werden, die sich jahrelang sicher davor fühlten. Die Kläger hatten dem zuständigen Ministerium deshalb bewusste Täuschung vorgeworfen.

"Für den Vorwurf der Arglist sieht das Gericht keine Anhaltspunkte", hieß es nun aus Leipzig. "Im Prinzip muss jeder, der in der Nähe eines Flughafens lebt, mit einer Betroffenheit rechnen", sagte Flughafenchef Rainer Schwarz als Reaktion auf die Urteilsverkündung.

Kläger wollen nicht aufgeben

"Das Gericht hat unter seiner Robe kein Herz, sondern möglicherweise einen Flughafen", sagte Michael Lippoldt, Sprecher einer der klagenden Bürgerinitiativen am Dienstag. Lippoldt kündigte an, vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen zu wollen. "Die Karlsruher Richter sind näher an den Menschen dran."

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Foto: dpa)
Das Bundesverwaltungsgericht in LeipzigBild: picture-alliance/dpa

Das Bundesverfassungsgericht kennt den Fall "BER" bereits, da ihm eine weitere Beschwerde gegen das Nachtflugverbot vorliegt. Anwohner und Gemeinden hatten auch in diesem Punkt erfolglos vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geklagt. Parallel dazu laufen Volksbegehren in beiden Bundesländern, die ein Nachtflugverbot zum Ziel haben. Allerdings sind die Unterschriftensammlungen sehr schleppend angelaufen. Deshalb ist es fraglich, ob sie die Schwelle erreichen, nach der das Anliegen in den Landesparlamenten diskutiert werden muss.

Untersuchungsausschuss nach der Sommerpause

"Ich habe meine Zweifel, ob er jemals fertig wird", sagte Martin Delius jüngst in einem Medieninterview auf die Frage, wann der neue Flughafen seinen Betrieb aufnehmen wird. Delius ist wohl einer der wichtigsten Flughafen-Kenner unter den Hauptstadtpolitikern. Denn sobald die Sommerpause des Berliner Senats vorbei sein wird, leitet er voraussichtlich einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Flughafendebakel. Um sich darauf vorzubereiten, hatte er im Frühjahr seinen Job als Geschäftsführer der Fraktion aufgegeben. Je mehr er Akten lesen und Fachleuten zuhöre, desto größer wirke auf ihn der Berg an Problemen, sagte Delius der "Frankfurter Rundschau".

Die Piratenpartei hat sich das Thema Transparenz groß auf ihre Fahnen geschrieben. Im Flughafen-Fall hat Delius' Fraktion deshalb eine eigene Plattform ins Internet gestellt. Darauf sind bereits Sachstandsberichte, Sitzungsprotokolle und andere Dokumente nachzulesen. Ein sogenanntes Wiki gehört auch zur Plattform, darin können Fragen rund um den Flughafenbau gestellt und diskutiert werden. Die Piratenpartei will so nicht nur die Öffentlichkeit über die Arbeit des Untersuchungsausschusses informieren, sondern zum Mitmachen einladen. Internet-User sollen ihren Sachverstand einbringen und sich an der Aufklärung beteiligen.

Martin Delius (rechts) von der Piratenpartei und Flughafen-Geschäftsführer Rainer Schwarz (Foto: dpa)
Martin Delius (rechts) von der Piratenpartei und Flughafen-Geschäftsführer Rainer SchwarzBild: picture-alliance/dpa

Bewährt sich dieses Experiment, hätte die Piratenpartei ein neues Instrument in den parlamentarischen Alltag eingeführt. Bisher startete zwar bei der Internet-Kommission des Bundestages ein ähnliches Experiment, es blieb aber wenig genutzt. Auf einem anderen Gebiet, dem Nachweis von abgeschriebenen Doktorarbeiten, hat sich ein derartiges Vorgehen bereits bewährt.

Neue Klage

Zwei Mal schon wurde der Start des Flughafens verschoben. Nun soll am 16. August vom Aufsichtsrat entschieden werden, ob der neue Eröffnungstermin im März 2013 zu realisieren ist. Über die Ursachen der Verzögerungen wird inzwischen auch juristisch gestritten. Die Flughafengesellschaft hat vor kurzem Klage gegen die Planungsgemeinschaft eingereicht und 80 Millionen Euro Schadensersatz gefordert.

Zur Planungsgemeinschaft, der inzwischen gekündigt wurde, gehören die international renommierten Firmen "J. S. K. International Architekten und Ingenieure GmbH" und "gmp Generalplanungsgesellschaft mbH". Beide haben jahrzehntelange Erfahrungen mit großen Flughafenprojekten. Bis Mitte August haben die Beklagten, zu denen auch der erfolgreiche Architekt Meinhard von Gerkan gehört, Gelegenheit zu einer Stellungnahme.

Die Suche nach dem Schuldigen

Betreiber der Flughafengesellschaft sind die Länder Berlin, Brandenburg und der Bund. Die Regierungschefs Klaus Wowereit und Matthias Platzeck gehören dem Aufsichtsrat an. Sie stehen wegen der Flughafenaffäre derzeit unter großem öffentlichen Druck. Der populäre Wowereit rutschte auf der Beliebtheitsskala weit nach hinten. Seine Partei - die Sozialdemokarten - wurde in Umfragen nach langer Zeit wieder von den mitregierenden Christdemokraten überholt.

Imageschaden für Berlin

Der Klageschrift ist zu entnehmen, dass die vielen Mängel und Baurückstände schon viel früher bekannt waren. Sie wurden aber nicht öffentlich zugegeben. "Alles, was uns erzählt wurde, war offenbar weit von der Wahrheit entfernt", kritisiert der brandenburgische SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert in einem Interview mit dem "Tagesspiegel".

Strengere EU-Sicherheitsanforderungen führten zu Bauverzögerungen, hieß es zur Begründung der erstmaligen Verschiebung der Eröffnung. Dabei war ein monatelanger Baurückstand schon bekannt.

"Heimlichtuerei und Schönfärberei"

Auch Bundesverkehrsminister Peter Raumsauer kritisiert inzwischen mangelnde Transparenz. Kürzlich fand ein Test der Brandschutzanlage des Flughafens statt - jener Technik also, deren Versagen als Grund für die im Juni geplante Eröffnung genannt worden war. Vertreter von Ramsauers Haus wollten daran teilnehmen, wurden aber von der Flughafengesellschaft ausgeladen. "Das Flughafen-Management muss den Prozess transparent gestalten, mit ehrlicher Analyse - die Zeit der Heimlichtuerei und des Schönredens sollte der Vergangenheit angehören", sagte der erboste Ramsauer der "Bild"-Zeitung.

Den Eindruck mangelnder Transparenz sieht die Berliner Piratenpartei auch nach einer Anfrage bestätigt, die sie Bürgermeister Wowereit gestellt hat. Sie wollte wissen, wie der Berliner Senat über den Verlauf des Flughafenprojekts auf dem Laufenden gehalten wird. Antwort: Der Senat werde nur zu herausgehobenen Fragen informiert. Was damit gemeint ist, blieb unklar. "Der Senat wiederholt die Fehler der Vergangenheit und berät sich nicht regelmäßig über den Zustand des Großprojekts", kritisiert Pirat Martin Delius.

Viel Wasser und eine neue Personalie

Mehrere Medien berichteten, dass sich Gebäudeteile absenken würden und die Landebahn unterspült sei. Seit Wochen regnet es in und um Berlin außergewöhnlich viel. Die Betreiber dementierten, die Berichte entbehrten jeder Grundlage.

Neuer Technikchef: Horst Amann (Foto: dapd)
Neuer Technikchef: Horst AmannBild: dapd

Die Zeit drängt, die beiden alten Flughäfen platzen aus allen Nähten. Hoffnung auf Fortschritte ist mit einer Personalie verbunden: Horst Amann wird neuer Technikchef des Projekts. Er war bisher Chefplaner der Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport, also des drittgrößten Flughafens in Europa.