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Kultur-Pilotprojekte in Berlin ausgesetzt

Nadine Wojcik
30. März 2021

Philharmonie, Theater, Clubs - deutschlandweit einzigartige Test-Konzerte in Berlin machten Mut. Doch nun werden die Veranstaltungen wieder auf Eis gelegt.

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Klappsitze mit Samtbezug sind mit einem einem Seil geblockt, ein Bolzenschneider durchtrennt eines davon.
Sitzplatz entsperrt - und nun wieder gesperrt? Dritte Welle verzögert Test-VorstellungenBild: Jens Kalaene/ZB/dpa/picture alliance

Licht am Ende des Tunnels? In der Berliner Philharmonie, im Konzerthaus, im Berliner Ensemble und im Club Säalchen wurde noch vor wenigen Tagen durchgespielt, wie sich ein Kulturleben danach anfühlen könnte.Nach dem Lockdown - aber mit Coronavirus. Ein unmittelbar vor der Veranstaltung getestetes Publikum durfte in den Genuss von Live-Musik und Schauspiel kommen. Die Karten waren schnell ausverkauft, die Probeläufe vielversprechend: Ihm seien bislang keine keine Ansteckungen bekannt, sagte Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles gegenüber der "Süddeutschen Zeitung". Seine Schauspielerinnen und Schauspieler hatten an zwei Abend vor insgesamt 700 Zuschauern gespielt.

Kultur in Zeiten von Corona - es könnte möglich sein. Weitere Vorführungen unter Einhaltung strengster Hygienevorschriften waren geplant. Auch an den Berliner Opernhäusern. Doch nun liegt alles wieder auf Eis: Die dritte Coronawelle fordert eine Zwangspause für die bundesweit beachteten Probeläufe von bis zu 1000 Zuschauern. "Es ist völlig klar, dass die Modellprojekte, die wir uns vorgenommen haben, für Kultur, für Sport, möglicherweise für Gastronomie, so jetzt nicht weiter umgesetzt werden können", sagte Berlins Bürgermeister Michael Müller. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" konkretisierte Daniel Bartsch, Pressesprecher der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa: Es handele sich nur um eine Pause. Das "Pilotprojekt Testing" werde weiter gehen.

Pilotprojekt: Pausiert, nicht beendet!

Nun gilt für die beteiligten Berliner Kulturhäuser erst einmal eine Osterruhe - so wie sie zunächst bundesweit vorgesehen war und anschließend wieder rückgängig gemacht wurde. Wann das Pilotprojekt fortgesetzt werde, hänge von der Entwicklung der Infektionszahlen ab, so der Sprecher des Berliner Senats. So sind die ursprünglich für Ostern eingeplanten Opernvorstellungen zunächst auf die Folgewoche verschoben worden. Auch wenn angesichts des exponentiellen Wachstums diese Termine möglicherweise erneut umgeplant werden müssten, macht Daniel Bartsch klare Versprechen: "Wir bringen dieses Pilotprojekt zu Ende!" sagte er der "Süddeutschen Zeitung".

Drei Menschen stehen vor der Eingangstür eines Theaters und bringen Plakate an.
"Perspektive Kultur": Das Berliner Ensemble spielte an zwei Abenden "Panikherz" nach Benjamin von Stuckrad-BarreBild: Jens Kalaene/ZB/dpa/picture alliance

Die Ergebnisse des nun unterbrochenen Projektes sollten im April ausgewertet werden, um ein mögliches Öffnungs-Szenario für die schwer gebeultete Kulturbranche zu untermauern. Eine Zwischenbilanz hinsichtlich der Ausgaben gibt es bereits. So fallen bei den Veranstaltungen mit Schnelltests direkt vor Ort Zusatzkosten von rund 20 Euro pro Zuschauer an. Bei der Philharmonie beliefen sich die Kosten auf 35 Euro, was sich künftig bei besseren Abläufen auf ebenfalls 20 Euro senken lasse. Diese Mehrkosten hatte bislang der Berliner Senat im Rahmen des Pilotprojektes getragen.

Berliner Weg: "Testen und bummeln"

Die 7-Tage-Inzidenz liegt in Berlin derzeit bei 143,4 (Stand 29.03.2021), in einem Stadtteil bereits sogar bei mehr als 200. Schon vergangene Woche hätte der Senat die sogenannte Notbremse ziehen müssen, da der kritische Wert von 100 bereits drei Tage in Folge überschritten war. Statt der Notbremse führt die Hauptstadt nun ab kommenden Mittwoch (31.03.2021) eine Testpflicht unter anderem für den Einzelhandel und Museen ein. So bleibt kulturinteressierten Berlinerinnen und Berlinern zumindest noch ein Ausstellungsbesuch. Angela Merkel indes kritisierte diese Entscheidung stark: "Ich weiß jetzt wirklich nicht, ob testen und bummeln, wie es in Berlin heißt, die richtige Antwort auf das ist, was sich zur Zeit abspielt.", sagte die Bundeskanzlerin in einem ARD-Interview.

Weitere Pilotprojekte in Deutschland laufen derweil weiter, wie etwa in der "Corona-Modellstadt" Tübingen im Südwesten Deutschlands. Mit einem "Tübinger Tagesticket", erhältlich an einer der Teststationen, können Bürgerinnen und Bürger einkaufen, Café trinken oder aber auch ins Theater und Kino gehen. Drei Premieren bringt das Landestheater Tübingen (LTT) in der Testphase auf die Bühne.

"Es funktioniert!" ist auf der Internetseite des Theaters zu lesen. In einer Zwischenbilanz sagt Intendant Thorsten Weckherlin: "Es ist die falsche Zeit für generelle Öffnungen. Aber es ist auch die falsche Zeit für einen Lockdown ohne Aussicht." Öffnungen würden nicht von alleine kommen. "Wir müssen sie uns - wie hier in Tübingen - clever erarbeiten, um bald wieder ein normales Leben für möglichst viele Leute zu schaffen."

Doch auch in der vielversprechenden "Corona-Modellstadt" mehrt sich bereits Kritik. Trotz flächendeckenden Testungen steigen auch in Tübingen die Neuinfektionen: Mit einer 7-Tage-Inzidenz von 98,8 (Stand 29.03.2021) steht der kritische Wert von 100 und die Notbremse auch hier bevor.