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Berlin empört über NGO-Durchsuchungen

Richard Fuchs29. März 2013

Der Russland-Koordinator der deutschen Regierung hat die Razzien russischer Behörden bei Nichtregierungsorganisationen scharf kritisiert - er sieht aber vor allem die russische Zivilgesellschaft gefährdet.

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EPA/ALEXEY NIKOLSKY / RIA NOVOSTI
Bild: picture-alliance/dpa

Der Russland-Koordinator der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff, hat die Durchsuchungen der russischen Staatsanwaltschaft bei Nichtregierungsorganisationen und politischen Stiftungen scharf verurteilt. "Das, was dort abläuft, schwächt Russland und schadet vor allem dem eigenen Anspruch, eine Weltmacht sein", sagte Schockenhoff. Am vergangenen Dienstag (26.03.2013) hatten Beamte der russischen Staatsanwaltschaft die Vertretung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Sankt Petersburg und die Repräsentanz der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) durchsucht und Computer und Unterlagen beschlagnahmt.

"Russland schadet sich selbst"

Nach massiver internationaler Kritik am Vorgehen der russischen Staatsanwaltschaft waren am Donnerstag (28.03.2013) zwei weitere geplante Razzien bei deutschen politischen Stiftungen und Institutionen abgesagt worden. So hätten nach Angaben des Generalsekretärs des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, russische Behörden auf eine geplante Durchsuchung des Goethe-Instituts in Novosibirsk verzichtet. Weiterhin sollen nach offiziellen Angaben die staatanwaltlichen Untersuchungen beim Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Petersburg eingestellt worden sein. Die am Dienstag beschlagnahmten Computer habe die Stiftung wieder zurückerhalten, bestätigte ein Stiftungssprecher in Berlin.

Russland-Koordinator Schockenhoff zeigt sich dennoch empört über das Maß an Willkür, mit dem die russischen Behörden vorgegangen seien. "Die Beamten, die dort die Computer ausgeräumt und Unterlagen mitgenommen haben, konnten nicht sagen, warum sie da sind." Trotz zaghafter Anzeichen einer Entspannung bleibt Schockenhoff skeptisch. Russland behandle vor allem seine eigenen Bürger wie eine Bedrohung, was eine fatale Entwicklung nach sich ziehe: "Dass in Russland tausende von Nichtregierungsorganisationen besucht werden von der Staatsanwaltschaft, die strafrechtlich ermittelt, ist ein Signal, das in Russland die eigene Bevölkerung einschüchtern soll." Es sei der Versuch einer autoritären Führung, so Schockenhoff, absolute Kontrolle herzustellen.

Porträt von Andreas Schockenhoff (Foto: DW/A. Brenner)
Andreas Schockenhof: Russland schadet sich selbstBild: DW/A. Brenner

Die russische Seite hat unterdessen die bisherigen Durchsuchungen bei Nichtregierungsorganisationen gegen Kritik verteidigt. Es solle vor allem gegen Geldwäsche und Korruption in Untergrundorganisationen vorgegangen werden, sagte eine Sprecherin der russischen Generalstaatsanwaltschaft. Schockenhoff rät den deutschen politischen Stiftungen und Institutionen, ihr Engagement trotz der Einschüchterungsversuche nicht einzustellen: "Wir müssen gerade jetzt zu denen Kontakt halten, die drangsaliert und gemaßregelt werden", sagte der Russland-Koordinator der Bundesregierung.

Bundesregierung sieht Beziehungen gefährdet

Die Bundesregierung hatte am Vortag den Ton gegenüber Russland bereits verschärft. "Unsere Stiftungen und ihre Partner aus der russischen Zivilgesellschaft tragen ganz erheblich Anteil an der Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Maßnahmen, die ihre wichtige Arbeit beeinträchtigen oder gar kriminalisieren, fügen unseren Beziehungen Schaden zu." Der Regierungssprecher verwies darauf, dass die Bundesregierung eine schnelle Klärung der Vorfälle durch die russische Seite fordert. "Wir erwarten, dass die bewährte Arbeit der deutschen, politischen Stiftungen in Russland reibungslos fortgesetzt werden kann."

Unter Druck – deutsche politische Stiftungen in Russland

Russland ist weltweit das einzige Land, in dem alle sechs politischen Stiftungen Deutschlands ein Auslandsbüro unterhalten. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte nach Bekanntwerden der Vorfälle Vertreter aller politischen Stiftungen ins Außenamt eingeladen, um sich über mögliche weitere Razzien und ihre Auswirkungen auf die Arbeit der Stiftungen unterrichten zu lassen. Nähere Details wurden nicht bekannt.

Schon am Dienstag hatte das Auswärtige Amt den russischen Gesandten zu einem Gespräch ins Kanzleramt zitiert. Über Ergebnisse und Inhalte des Gesprächs sei allerdings stillschweigen vereinbart worden, sagte ein Sprecher. Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth beklagte ein zu zögerliches Vorgehen der Bundesregierung. "Deutschland und die EU müssen die Repression gegen NGOs und Stiftungen gegenüber Russland viel deutlicher zu Sprache bringen", forderte Roth.

"Register ausländischer Agenten"

Medienberichten zufolge führen russische Behörden seit Tagen in einer konzertierten Aktion Razzien bei Hunderten Nichtregierungsorganisationen durch. Dazu gehören auch die größte russische Menschenrechtsorganisation Memorial, die Moskauer Helsinki Gruppe und Amnesty International. Im vergangenen Jahr war in Russland ein neues Gesetz in Kraft getreten, nachdem sich Organisationen mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland in ein Register "ausländischer Agenten" eintragen müssen. Die Bundesregierung hatte schon damals vor möglichen negativen Auswirkungen des Gesetzes gewarnt.

Auch die NGO Memorial wurde durchsucht
Auch die NGO Memorial wurde durchsuchtBild: DW

Nach Angaben von Regierungssprecher Seibert will Bundeskanzlerin Angela Merkel die Vorgänge bei direkten Gesprächen mit Russlands Präsident Wladimir Putin thematisieren. Die für Anfang April geplante Eröffnung der weltgrößten Industrieschau "Hannover Messe" durch die Kanzlerin im Beisein von Putin sei dadurch allerdings nicht gefährdet. Die Kanzlerin halte es nach wie vor "vollkommen angemessen", dass der russische Präsident als Vertreter des diesjährigen Gastlandes der Schau mit 6500 Ausstellern die Eröffnung übernehme.