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Kolumne: Winter ist Dreckswetter

Gero Schließ
5. Februar 2017

Berlin im Winter macht krank und depressiv. Das meint unser Kolumnist Gero Schließ und spricht eine Reisewarnung aus.

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Kolumne Berlin 24/7 Winter
Bild: DW/G. Schließ

Das hier ist eine dringende Reisewarnung für Berlin. Denn es ist Winter in der Hauptstadt. Es ist kalt, es ist dunkel und unwirtlich, die Tage sind trübe, die Nächte trostlos. Die Berliner schauen noch verdrießlicher als sonst. Und noch tiefer in ihre Bier- und Wodka Gläser. 

Schwermut und dicker Hals vom Berliner Wetter

Kolumne Berlin 24/7 Winter
Die kann einem vergehen: Berlin im WinterBild: DW/G. Schließ

Nebel und Glatteis erschweren das Fortkommen, machen den Gang zum Bäcker oder die Fahrt von einem Kiez zum anderen zum gefährlichen Abenteuer. Und das Schlimmste: Im Winter ist Dreckswetter. Das sagt auch mein Taxifahrer und schiebt zur Bestätigung mit seinem Scheibenwischer den schmutzigen Schmier von der einen Seite der Scheibe zur anderen. 

Nehmen Sie meine Warnung ernst: Kommen Sie in der düsteren Winterszeit nicht nach Berlin. Machen Sie einen Bogen um die Stadt. Das Mindeste, was Ihnen droht, sind Schwermut und ein dicker Hals. Wie beim Autor dieser Zeilen, der sich erst jüngst eine heftige Erkältung zuzog – mutmaßlich beim Radfahren auf zugigen Straßen. Ausgelöst durch die sibirischen Winde, die unerbittlich über Boulevards und Brachflächen, zwischen Baulücken und unter Brücken hindurch wehen. Trotz aller Gegenmaßnahmen kriechen sie unter den Mantel, durch den Wollpullover, dringen in den Schal, halten mit eisigem Griff die Gurgel umschlossen.  

08.2016 Kolumne Gero Schließ
Reisewarnung für Berlin: Unser Kolumnist Gero Schließ empfiehlt, Berlin im Winter zu meiden

Warum regt sich der denn so auf, werden manche einwenden. Winter ist doch schließlich überall in Deutschland. Ja, das stimmt, aber in Berlin ist er eben besonders trostlos und unwirtlich. Vielleicht wirkt der Winter hier aber auch besonders heftig und hässlich, weil die Bilder vom "anderen", vom sommerlichen Berlin, das mit jeder Faser das Leben feiert, noch im Kopf sind. Die Bilder von fröhlich grillenden, ballspielenden Familien im Park oder von lebensprallen Straßenumzügen wie der Gay Pride oder dem Karneval der Kulturen. Wie grau und abweisend dagegen wirkt die Stadt jetzt. Die Straßen sind menschenleer und selbst die Ratten suchen die rettende Kanalwärme. Den rauen Berliner Temperaturen sind dagegen diejenigen ausgesetzt, die unbedingt irgendwohin müssen in dieser verflixt weitläufigen Stadt und mal wieder auf den verspäteten Bus oder die Tram warten müssen – mit schlotternden Knien und gefrierenden Gesichtern.

Kolumne Berlin 24/7 Winter
Keine Lust auf Spielplätze: Auch die Kinder leiden unter dem Berliner WinterBild: DW/G. Schließ

Während der Weihnachtszeit konnte man ja wenigstens noch Trost und Ablenkung durch duftende Glühweinstände und kitschig-leuchtende Dekorationen finden. Weihnachten ist lange vorbei. 

Das einzige was in Berlin leuchtet ist das Blaulicht

Das einzige, was jetzt leuchtet, ist das Blaulicht der Polizeistreifen. Nicht nur der verheerende Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt treibt die Ordnungshüter vermehrt auf die Straßen. Auch die steigende Kriminalität, die sich im Schutz der Dunkelheit gegen uns und unser Eigentum richtet. Meine Nachbarin hier am Prenzlauer Berg schockierte mich, als sie von einem Mann erzählte, der ihr auf dem abendlichen Weg von der Tram-Station nachhause folgte und sie körperlich bedrängte. Das Pfefferspray hatte sie nicht dabei. In Panik hat sie geschrien und den Verfolger vertrieben. Wenige Tage danach treffe ich eine Kollegin im Fitnessstudio nahe dem Gendarmenmarkt. Ihr selber ist zwar nichts passiert, aber sie fühlt sich unsicher. Beide Frauen haben sich zu einem Selbstverteidigungskurs angemeldet.

Sommer macht mehr Spaß in der Hauptstadt 

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Ein wenig Licht verbreiten nur die SchaufensterBild: DW/G. Schließ

Das alles vertieft die Winterdepressionen. Für diejenigen, die sich keinen zweiten Wohnsitz auf den Malediven leisten können, bleibt eigentlich nur ein Ausweg. Halten wir uns an den früheren holländischen Entertainer Rudi Carrell: "Wann wird's mal wieder richtig Sommer", sang er damals mit einem siebten Sinn für die Berliner Wintertristesse. Oder sagen wir es einfach mit den Worten meines geschätzten Taxifahrers: "Sommer macht mehr Spaß".