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Bericht: Flüchtlinge im Jemen gefoltert

Ludger Schadomsky25. Mai 2014

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch dokumentiert Folter und systematische Verfolgung afrikanischer Migranten durch Schmugglerbanden und jemenitische Offizielle.

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Flüchtinge in Sanaa Foto: EPA/YAHYA ARHAB
Bild: picture-alliance/dpa

82 Seiten stark ist der Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) und die Augenzeugenberichte darin sind haarsträubend: So soll ein Afrikaner von Menschenschmugglern mit Holzknüppeln zu Tode geprügelt worden sein, zwei weitere Flüchtlinge mit Äxten niedergemetzelt. Vergewaltigungen weiblicher Migranten seien laut Bericht an der Tagesordnung. Immer dabei: staatliche Helfershelfer. Deshalb liege der Fokus des HRW-Berichts auf der Beteiligung der Regierung, sagt die Autorin, Belkis Wille, im DW-Interview: "Offizielle arbeiten direkt mit Menschenschmugglern zusammen, indem sie ihnen Straffreiheit gewähren und erlauben, Foltercamps in aller Öffentlichkeit und unbehelligt zu betreiben." Sicherheitskräfte und Militärs sollen die überwiegend aus Äthiopien stammenden Migranten an Schlepper verkaufen, so der Vorwurf. Die Migranten würden von den Schleppern gefoltert und erpresst werden.

Durchschnittlich 1300 US-Dollar ließen sich von Freunden und Familie eines Flüchtlings erpressen, erzählte ein befragter Schlepper dem HRW-Team. Dazu würden die Migranten unter aktiver Mithilfe lokaler Beamter und Sicherheitskräfte in Foltercamps gebracht, wo ihnen laut der Augenzeugenberichte die Genitalien abgeschnürt, sie mit heißem Plastik verbrannt, ihnen Ohren, Lippen oder Nase abgetrennt oder die Fingernägel ausgerissen würden - teilweise während die verzweifelten Angehörigen am Mobiltelefon zuhörten. Wer Glück habe, den würden die Folterer halbtot vor dem Zentrum der Internationalen Organisation für Migrantion (IOM) in der Grenzstadt Haradh abwerfen. Die dortigen Mitarbeiter sowie Klinikpersonal in Haradh konnten laut HRW-Bericht die Verletzungen mit Foltermethoden, etwa dem stundenlangen Aufhängen an den Daumen oder Verbrennungen mit Zigaretten, in Verbindung bringen.

Belkis Wille Foto: Human Rights Watch
Belkis Wille, Autorin des HRW-BerichtsBild: Human Rights Watch/Yotutube

Kann ein Anti-Schmuggler-Gesetz helfen?

Das Parlament im Jemen wird in den kommenden Wochen über ein Anti-Schlepper-Gesetz debattieren, das die strafrechtliche Verfolgung von Banden und Helfern im Staatsapparat erleichtern könnte - theoretisch: "Wenn das Gesetz durchkommt, wird es einen konkreten Handlungsplan gegen Menschenschmuggel im Jemen beinhalten. Damit könnte es die Kriminalisierung von Unterstützern vorantreiben", so HRW-Rechercheuse Wille. Letztlich aber käme es wie immer auf die praktische Implementierung an: Zwar gab es im Frühjahr 2013 eine Regierungsoffensive gegen die organisierte Schlepperei, doch in zahlreichen dokumentierten Fällen stünden Beamte und Polizisten auf der Gehaltsliste der Banden, so Wille.

Jemen ist ein beliebtes Transitland für verzweifelte Menschen aus den Krisenländern Äthiopien, Eritrea und Somalia auf dem Weg nach Saudi Arabien. Dort erhoffen sie sich eine bessere Zukunft und verdingen sich - oft illegal - als Hausangestellte, Gärtner oder Müllfahrer. Wiederholt haben Menschenrechtsgruppen auf das Elend der Arbeitsmigranten aufmerksam gemacht: Sie seien in Saudi Arabien de facto das Eigentum ihrer Arbeitsgeber, würden als Lohnsklaven ausgebeutet und häufig physisch und sexuell missbraucht werden. Obwohl das an Öl reiche Land in den vergangenen Monaten hunderttausende illegale Migranten in ihre Herkunftsländer am Horn von Afrika abgeschoben hat, ist die lebensgefährliche Route durch den Jemen nach Saudi Arabien ungebrochen populär.

Flüchtlinge im Jemen Foto: Human Rights Watch
Auf der Suche nach einer besseren Zukunft: Flüchtlinge im JemenBild: Human Rights Watch/Yotutube

Appell an die Partner

HRW appelliert an Jemens Entwicklungspartner, allen voran an die USA, die Europäische Union und deren Mitgliedsstaaten sowie die Golfstaaten, Druck auf die Regierung in Sanaa auszuüben, entschieden gegen die Schlepper vorzugehen und die Kollaboration der jemenitischen Sicherheitskräfte zu unterbinden. Derweil wird der Strom verzweifelter Migranten in Richtung arabischer Halbinsel aus Unkenntnis der Gefahren kaum anhalten sondern eher weiter zunehmen: Bei den Interviews von Human Rights Watch mit 18 äthiopischen Flüchtlingen wusste nicht einer um die von vielen Organisationen dokumentierten Gefahren der Passage Richtung Jemen.