Benzin aus Algen
3. August 2009Lange, dicke Plastikschläuche hängen auf Metallständern in einem Gewächshaus. In ihnen blubbert ein Gemisch aus Algen und Wasser. Mal blass-, mal dunkelgrün schimmern die Algen im Sonnenlicht. Doch es handelt sich hier nicht um gewöhnliche Algen, erklärt Jason Pyle, Geschäftsführer von Sapphire Energy. Pyle zeigt in einem anderen Raum auf Mikroskope und Petrischalen: "Hier fängt alles an, hier arbeiten wir an den Algen-Genen. Hier geht es vor allem darum, die Genstruktur dieses Organismus zu verstehen. Wir wollen Ölprodukte herstellen."
Denn zum Schluss wird das Algengemisch in sogenannten Algenfarmen in große Becken umgefüllt und entwickelt sich unter der Sonne Kaliforniens zu einem begehrten Rohstoff: Benzin. Und zwar richtiges Diesel, Benzin und Flugzeugbenzin, das in ganz normalen Tankstellen verkauft und in ganz normale Autotanks gefüllt werden kann. In drei bis fünf Jahren, sagt Pyle, werde das Produkt reif für den Markt sein. Vier Millionen Liter Diesel und vier Millionen Liter Flugzeugbenzin sollen im Jahr 2011 hergestellt werden können. 150 Angestellte hat die Firma, 70 davon arbeiten in San Diego.
Aus Algen wird Benzin
Dass die Algen viel Sonne brauchen, ist aber nicht der einzige Grund, warum Sapphire Energy nach San Diego gezogen ist, erklärt Pyle. Am Anfang war das Projekt eine Kooperation mit dem biomedizinischen Forschungsinstitut Scripps, das in San Diego beheimatet ist. Um aus den Algen Benzin zu machen, ist die Zusammenarbeit von Forschern aus vielen Bereichen notwendig. "San Diego ist eines der großen Technologie-Zentren in den USA, vor allem für Biotechnologie", sagt Pyle. "Und ein Drittel unserer Firma beruht auf Biotechnologie."
Saubere Energie ist eine multidisziplinäre Angelegenheit, erklärt auch Julie Meier Wright, die Präsidentin der Wirtschaftsgemeinschaft für San Diego. "Wenn Sie an die Forschung in San Diego für Biologie, Chemie, drahtlose Kommunikation, Sensoren und Robotertechnik denken, die bereits vorhanden ist, dann können Sie verstehen, dass hier komplett neue Industrien entstehen können, denn die vorhandenen Industrien werden einfach kombiniert."
Mit diesem Standortvorteil will San Diego verstärkt werben. Und auch die benachbarten Gegenden, Imperial County im Osten und Baja California im Süden in Mexiko, sollen davon profitieren: Es gibt Land, Sonne und Wind. Ideal, um saubere Energie zu erzeugen, sagt Timothy Kelley, Präsident des Wirtschaftsverbandes von Imperial County. "Wir sind führend im Staat Kalifornien, was die Erzeugung von Erneuerbaren Energien angeht. Wir produzieren über 500 Megawatt durch Erdwärme, können das aber noch bis 3500 Megawatt steigern. Wir haben unsere Kapazitätsgrenze noch nicht erreicht."
Strom als Exportartikel
Ein Megawatt reicht aus, um 750 Haushalte mit Strom zu versorgen. Auch die Region Baja California im Nachbarland Mexiko wird in die Werbeinitiative mit einbezogen. Auch dort gibt es reichlich Land, Wasser und Kapazitäten zur Gewinnung von Erneuerbaren Energien, erklärt David Muñoz Andrade, Direktor der dortigen Energiekommission. Der Bedarf in der Region sei aber nicht so hoch. "Wir grenzen an die siebtgrößte Wirtschaftsregion der Welt, und das wollen wir ausnutzen. Wir exportieren unsere Waren und Dienstleistungen - und Strom. Denn der Strombedarf in Kalifornien ist groß."
Und das ist die Idee hinter der Wirtschaftsinitiative, die San Diego, Imperial County und das mexikanische Baja California umfasst: San Diego bietet Forschung, Infrastruktur, bereits vorhandene Industrien. Der Strom zum Beispiel kann aus den anderen beiden Bezirken kommen. Profitieren sollen alle. Imperial County, wo die Arbeitslosenquote bei 25 Prozent liegt, verspricht sich vor allem Arbeitsplätze.
Doch die Initiative steckt noch in den Kinderschuhen und die Konkurrenz ist groß, erklärt Professor Stephen Mayfield, der am Scripps Institut an den Algen forscht, die sich in Benzin verwandeln. San Diego habe die meisten Labore, die sich mit dem Thema beschäftigen, aber "es gibt auch Gruppen in San Francisco, in Arizona, in Texas, in Florida. Auch die Chinesen betreiben intensive Forschung, die Europäer sind etwas zurückhaltender, denn sie glauben, dass ihr Klima nicht ideal ist, um Algen im großen Stil anzubauen."
Die Konkurrenz schläft nicht
Und die Konkurrenz gibt es nicht nur im Algensektor. Auch andere Regionen in den USA würden sich gerne als das Zentrum für Erneuerbare Energien präsentieren, zum Beispiel Seattle im Nordwesten oder Boston im Nordosten. Und die strengen Umweltauflagen in Kalifornien machen zwar die Gegend lebenswerter, aber das Geschäftemachen wird schwieriger, sagt Christina Anne Luhn, die für das binationale Werbe-Projekt, das den Namen "Cali Baja" trägt, verantwortlich ist. "Weil es so viele verschiedene Behörden gibt, von denen man eine Genehmigung braucht, wird das Geschäftemachen wesentlich teuer. Das höre ich immer wieder. Die Firmen wissen nicht, wie viel es sie kosten wird, und auch nicht, wie lange der Genehmigungsprozess dauert."
Sapphire Energy hat es da leichter gehabt. Als Forschungsprojekt gestartet, wird die Firma noch immer von Stiftungen finanziert. Sie muss noch nicht profitabel sein. Ein Luxus, den sich andere Firmen nicht leisten können. Das schöne Wetter und die zweifelsfrei angenehme Lebensqualität im Süden Kaliforniens, auf das die Vertreter der Wirtschaftsinitiative auch immer wieder verweisen, sind als Standortvorteil ganz sicher nicht ausreichend.
Autor: Christina Bergmann
Redaktion: Rolf Wenkel