Benzin in Großbritannien: Mangel in Massen
Autofahren? Klar! Aber tanken? Das ist aktuell etwas schwierig in Großbritannien. In großen Teilen des Landes haben bis zu 90 Prozent der Tankstellen keinen Treibstoff. Das führt zu dramatischen wie lustigen Szenen.
Entweder sehen die Tankstellen so aus....
Autofahrer in Großbritannien sind aktuell wirklich nicht zu beneiden. Denn wer dort gerade mit dem Auto unterwegs ist und tanken muss, der steht meist einer von zwei möglichen Situationen gegenüber. Die erste ist die auf diesem Bild zu sehende: Eine überfüllte Tankstelle, vor der Autos in langen Schlangen warten.
...oder so
Die zweite Situation ist diese hier: Eine komplett leere Tankstelle. Keine Autos. Keine lange Schlangen. Der Grund für beide Situationen ist derselbe: Benzinmangel. Der herrscht gerade in Großbritannien und führt dazu, dass die Tankstellen, die Sprit haben, von Autos geradezu überrannt - beziehungsweise überfahren - werden. Tankstellen hingegen, die keinen Sprit mehr haben, verwaisen.
Chaos und Panikkäufe
Die Tankstellen werden mehr und mehr zu Orten des Chaos, denn die Geduld vieler Autofahrer ist begrenzt. Zum Teil warten sie mehrere Stunden, bis sie an die Zapfsäule kommen. Wenn dann aber das Benzin ausgeht, kann man sich unschwer vorstellen, was los ist. Manch einer drängelt vor. Kein Wunder, dass es zum Teil zu lautstarken Auseinandersetzungen bis hin zu Prügeleien kommt.
So nah und doch so fern
Die Schlangen vor den Tankstellen, wie hier in Ashford, sind manchmal über 100 Autos lang. Britische Medien zeigen Videos, die erschaudern lassen - etwa einen Autofahrer, der in der Warteschlange einen anderen mit dem Messer bedroht. Andere regen zum Schmunzeln an, zum Beispiel eine Frau, die vor der Zapfsäule ihre Wasserflasche ausleert - und diese mit Benzin füllt.
Das Wandern ist des Autofahrers Lust
Überhaupt wird alles benutzt, in das man Benzin einfüllen kann. Dieser Mann in Bracknell hat sich ein Sammelsurium von Kanistern zusammengestellt. Man fragt sich, wie er sich in die Autoschlange einreihen möchte. Vielleicht gar nicht? Man ahnt das Konfliktpotential. Tankstellen in Großbritannien sind aktuell keine Orte zum Entspannen.
Zumindest einer scheint gut gelaunt
Auch wenn dieser Fahrer eines schneidigen Automobils an einer Tankstelle an der Autobahn M3 im Westen Londons gut gelaunt ist, die meisten anderen Autofahrer sind es nicht. Denn viele brauchen das Auto, um zur Arbeit zu kommen. Darum gibt es auch Diskussionen, ob nicht bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte bevorzugt tanken dürfen. Bei einigen Tankstellen wird das schon so gehandhabt.
Benzinobergrenze
Zum Teil sieht man auch, wie die Polizei mit ihren Dienstfahrzeugen vordrängelt, denn ohne Benzin lässt es sich nur schwerlich zu einem Einsatzort kommen. Manche Tankstellen rationieren den Sprit. Tanken darf man dort, wie an dieser Tankstelle in Manchester, nur für maximal 30 Pfund (rund 35 Euro). Kein Problem, wenn man einen Kleinwagen fährt. Großes Problem, wenn man einen Kleinbus fährt.
Sorry, außer Betrieb
Nach Schätzungen des Branchenverbands PRA sind in einigen Landesteilen bis zu 90 Prozent der Zapfsäulen außer Betrieb. Und das obwohl laut dem britischen Verkehrsminister Grant Shapps ausreichend Kraftstoff in den 47 britischen Depots und den sechs Raffinerien zur Verfügung steht. Es kommt nicht zu den Tankstellen, weil Lastwagenfahrer fehlen. Darum betrifft der Treibstoffmangel...
Das Gleiche in Grün
...auch alle Tankstellenketten gleichermaßen. Nach Angaben des Branchenverbands Road Haulage Association fehlen in Großbritannien rund 100.000 Lastwagenfahrer. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der Brexit ist ein gewichtiger. Viele LKW-Fahrer sind in dessen Folge wieder auf den europäischen Kontinent, oft nach Osteuropa, zurückgekehrt, und wegen Corona auch nicht mehr zurückgekommen.
Auch grüner Sprit kommt nicht an
Einige Speditionen aus Kontinentaleuropa fahren seit dem Brexit Großbritannien nicht mehr an. Gleichzeitig konnten wegen Corona viele LKW-Fahrprüfungen in Großbritannien nicht durchgeführt werden. Das Grundproblem ist also eine Kombination von Brexit und Corona und das nicht rechtzeitige Gegenlenken der Regierung. Aktueller Auslöser der Krise seien Panikkäufe der Autofahrer, so die Regierung.
Armee und Visa gegen Spritmangel
Die Regierung steuert nun kräftig dagegen. Die Armee wurde in Bereitschaft versetzt: Soldaten sollen Sprit zu den Tankstellen bringen. Prüfer der Armee sollen zusätzliche Fahrprüfungen anbieten. Gleichzeitig möchte die Regierung plötzlich 10.500 Arbeitsvisa vergeben, davon 5000 für Lastwagenfahrer und 5500 für die Geflügelverarbeitung - denn auch in anderen Bereichen herrscht Fachkräftemangel.
Keine Entschuldigung
Solche Schilder, auf denen man sich für die leeren Zapfsäulen entschuldigt, sollen damit bald der Vergangenheit angehören. Die neuen Arbeitsvisa sollen ab Oktober vergeben werden - gelten allerdings nur bis Heiligabend. Ob das genug Anziehungskraft versprüht, um die Versorgung im Bereich Kraftstoff und Lebensmittel sicherzustellen, muss sich erst noch zeigen.
Besser als ein Lottogewinn - ein Tank voll!
Bis dahin freut sich manch ein Tankstellenkunde wie ein Schneekönig, wenn er es an eine volle Zapfsäule geschafft hat. Diese Dame im Westen Londons jedenfalls ist happy. Wie oft sie dieses Erfolgserlebnis noch haben wird, ist nicht klar. Denn Teile der Logistikbranche und der Nahrungsmittelindustrie begrüßten die Maßnahmen der Regierung zwar, sagten aber, sie reichten nicht aus.
Die Lösung
Sollte der Lastwagenfahrermangel und der damit verbundene Treibstoffmangel weiter anhalten, dann hilft wohl nur eins - ein Pferdegespann, wie hier auf dem Foto. Ach ja - und es mit Humor nehmen. Aber zumindest daran soll es ja dem Vernehmen nach den Briten nicht mangeln.