Belgien verschiebt Atomausstieg um zehn Jahre
19. März 2022Das nahe der deutschen Grenze gelegene Kernkraftwerk Tihange 3 und das Kernkraftwerk Doel 4 bei Antwerpen sollen bis mindestens Ende 2035 weiterlaufen können. Das bestätigte der belgische Premierminister Alexander De Croo nach Beratungen der Regierung. "Jeder weiß, dass es einen Krieg in Europa gibt", sagte der belgische Regierungschef. Man habe deshalb Gewissheit in unsicheren Zeiten gewählt.
Betreiber dürfte viel Geld verlangen
Durch die Laufzeitverlängerung um zehn Jahre soll die Energiesicherheit gewährleistet werden. Dabei spielen auch der Krieg in der Ukraine und die zuletzt stark angestiegenen Energiepreise eine Rolle. Die geplante Laufzeitverlängerung muss nun noch mit dem französischen Betreiber Engie verhandelt werden. Er hatte sich eigentlich darauf eingestellt, alle sieben Kraftwerke des Landes an den beiden Standorten bis Ende 2025 abzuschalten und dürfte nun viel Geld für die Planänderung verlangen können.
De Croo betonte, dass gleichzeitig der Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigt werde. Bis 2030 soll so nach Angaben von Energieministerin Tinne Van der Straeten 30 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen und der Öl- und Gasverbrauch um 15 Prozent gesenkt werden. 2021 wurde laut dem Netzbetreiber Elia noch mehr als die Hälfte der verbrauchten Elektrizität durch Kernkraft produziert.
Atomausstieg bereits 2003 festgelegt
In Deutschland sorgen die belgischen Atommeiler aus den 1970er und 80er Jahren immer wieder für Diskussionen. So wurden bei den Reaktoren im Nachbarland mehrfach Mängel festgestellt, wie etwa marode Betonteile. Und an keinem anderen AKW in Europa leben so viele Menschen in der nächsten Umgebung wie am Standort Doel.
Die Stadt Aachen und die deutsche Bundesregierung hatten die belgische Regierung mehrfach aufgefordert, die Kernkraftwerke stillzulegen. In Belgien wurde der Atomausstieg eigentlich schon 2003 gesetzlich festgelegt, doch die Debatte zieht sich seit Jahren.
Der Atomausstieg wurde in Belgien ursprünglich mit einer stärkeren Nutzung von Erdgas verknüpft. Geplant war der Bau eines Gaskraftwerks nördlich von Brüssel.
nob/rb (rtr, afp, dpa)