Belgien: Papst prangert Kindesmissbrauch durch Kirche an
27. September 2024Papst Franziskus hat Fälle sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche scharf verurteilt. Der Pontifex äußerte sich auf Einladung des belgischen Königspaars Philippe und Mathilde vor führenden Repräsentanten von Staat, Kirche und Zivilgesellschaft. "Der Missbrauch von Minderjährigen ist eine Schande. Diese Schande müssen wir anerkennen und um Vergebung bitten", sagte Franziskus abweichend vom vorbereiteten Redemanuskript im Königsschloss in Laeken bei Brüssel. Um Worte ringend führte er weiter aus: "Die Kirche muss sich schämen (...) und in christlicher Demut alles in ihrer Macht Stehende tun, damit das nicht mehr geschieht."
Ausdrücklich wandte er sich gegen jene in der Kirche, die sexualisierte Gewalt durch Geistliche relativierten, indem sie darauf hinwiesen, dass es noch viel mehr Missbrauch in Familien, im Sport und in Schulen gebe. Er sagte: "Selbst wenn es nur einen einzigen Fall gäbe, wäre das ein Grund, sich zu schämen. Die Kirche muss dafür um Vergebung bitten. Mögen die anderen das bei sich tun, dies hier ist unsere Schande und unsere Erniedrigung."
Zwangsadoptionen in Belgien
In seiner Rede ging der Papst auch auf den Skandal um Zwangsadoptionen ein - eine Praxis, die in Belgien von den 1940er Jahren bis noch in die 1980er Jahre verbreitet war. Laut unbestätigten Berichten brachten in dieser Zeit rund 30.000 Frauen - teils selbst Opfer sexualisierter Gewalt - anonym Kinder zur Welt. Ordensfrauen nahmen die Babys unmittelbar nach der Geburt an sich und gaben sie gegen Geld an Adoptiveltern. Das damalige Tun mache ihn "sehr traurig", erklärte er. Zugleich zeigte Franziskus Verständnis für die beteiligten Menschen, die wohl "guten Gewissens glaubten, zum Wohl des Kindes wie auch der Mutter zu handeln".
Zuvor hatten der belgische König Philippe und Ministerpräsident Alexander De Croo in ihren Begrüßungsansprachen den Missbrauchsskandal in der Kirche ausdrücklich kritisiert und Gerechtigkeit für die Opfer gefordert. Der liberale Regierungschef betonte, Worte genügten nicht. Die Menschenwürde müsse an erster Stelle stehen, nicht die Interessen der Institution. Die Opfer müssten gehört und in den Mittelpunkt gestellt werden, sie hätten ein Recht auf die Wahrheit. "Die Gräueltaten müssen anerkannt werden. Und es muss für Gerechtigkeit gesorgt werden", so De Croo weiter.
Untersuchungsausschuss zum ehemaligen Bischof von Brügge
Erst am Donnerstag hatte das belgische Parlament einen neuen Untersuchungsausschuss zum bisher aufsehenerregendsten Fall sexueller Gewalt in der katholischen Kirche des Landes eingesetzt. Er soll die Vergehen des früheren Bischofs von Brügge untersuchen, den der Papst erst im März aus dem Klerikerstand entlassen hatte.
Der frühere Bischof Roger Vangheluwe hatte das Kirchenamt in Brügge bereits 2010 niedergelegt, nachdem bekannt geworden war, dass er jahrelang einen seiner Neffen sexuell missbraucht hatte. 2011 gestand er den Missbrauch eines weiteren Neffen.
se/sti (kna, afp, dpa, ap)