Belarus-Route: Vom Irak in die EU
31. Oktober 2021Zunächst die Zahlen: Im Oktober gab es 11.300 Versuche, von Belarus aus illegal nach Polen einzureisen.
Einmal in Polen angekommen, machen sich viele Migranten auf den Weg zur deutschen Grenze. Nach Angaben der Bundespolizei wurden im Oktober rund 4900 Migranten und Geflüchtete nach einer unerlaubten Einreise über Belarus und Polen registriert. Das waren mehr als doppelt so viele wie im September. Insgesamt sind laut Bundespolizei in diesem Jahr 7300 unerlaubte Einreisen über die Belarus-Route nach Deutschland registriert worden. (Alle Zahlen: Stand Ende Oktober)
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte im Frühjahr als Reaktion auf EU-Sanktionen erklärt, er werde diese Menschen in Richtung EU nicht mehr aufhalten.
Wer flieht und von wo?
Die meisten stammen aus dem Irak, aber auch Staatsangehörige aus Syrien, dem Kongo und Kamerun machen sich auf den Weg nach Minsk. Die wichtigsten Ausgangspunkte sollen derzeit drei Städte in der irakischen Kurdenregion sein: Erbil, Shiladze und Sulaimaniyya.
Wie lokale Reisebüros berichten, fliegen Menschen überwiegend über Dubai, die Türkei, den Libanon und die Ukraine, um in die EU zu gelangen.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte in der vergangenen Woche, dass auch die Zahl der Direktflüge von Beirut, Damaskus und Jordaniens Hauptstadt Amman nach Minsk spürbar angestiegen sei.
Visum und Kosten
Die Reisen können Schätzungen zufolge zwischen 12.000 und 15.000 Euro kosten, einschließlich Visa, Flüge und Schleuserdienste auf dem Landweg nach Europa.
Ein Mitarbeiter eines Reisebüros in Bagdad, der weder seinen Namen noch den seiner Agentur preisgeben wollte, erklärte gegenüber DW, die belarussische Botschaft in der Stadt Erbil habe "Visaanträge an eine Reihe von Reisebüros ausgelagert".
Auch sein Reisebüro habe früher solche Visaanträge erhalten, erklärte er. Mittlerweile würden diese nicht mehr bearbeitet: "Ich mache das nicht mehr, weil ich mein Geschäft nicht gefährden will. Aber früher dauerte es zwischen fünf Tagen und zwei Wochen, um die Visa zu bekommen."
Visa, verzweifelt gesucht
Darüber hinaus bestätigten andere Quellen der DW, dass Visaanträge nicht mehr an die belarussische Botschaft im Irak, sondern an die diplomatische Vertretung von Minsk in anderen Ländern ausgelagert würden.
So erklärt ein russisches Unternehmen namens "Made in Russia24" in einem Youtube-Video, dass Iraker und Syrer nicht mehr als Touristen nach Belarus einreisen könnten, wenn auf ihrem Einladungsschreiben der Stempel des Abreiseflughafens vermerkt sei.
Das Unternehmen, das nach eigenen Angaben Dienstleistungen wie die Ausstellung von Touristenvisa anbietet, verweist darauf, dass Touristen nun einen so genannten Visa-Sticker bräuchten, der bei belarussischen Botschaften erhältlich sei. Iraker könnten nur über die belarussische Botschaft in Ankara ein Visum erhalten.
Belsat.eu, ein unabhängiger Fernsehsender in Weißrussland, zitierte einen Bericht des belarussischen Onlineportals KYKY.org, wonach zwölf Reisebüros im Land eine "stillschweigende" Genehmigung für die Organisation von Visa für Ausländer erhalten hätten.
"Ergreifen Sie die Gelegenheit"
VIP Grub, ein Pass- und Visadienst in Istanbul, behauptet ebenfalls, Menschen auf "konventionellem Wege" nach Europa bringen zu können und wirbt für seine Dienste mit der Behauptung, Europa brauche ausländische Arbeitskräfte.
In den Anzeigen des Unternehmens heißt es: "Nur europäische Fluggesellschaften. Brauchen 1,2 Millionen Flüchtlinge. Ergreifen Sie die Gelegenheit. Bezahlen Sie uns nach der Ankunft."
In der EU eingetragene Unternehmen leasen derzeit Flugzeuge an die nationale belarussische Fluggesellschaft Belavia. Die EU-Außenminister wollen gegen diese Praxis vorgehen und erwägen Sanktionen.
"Belavia Airlines bietet Direktflüge nach Minsk von Istanbul, Dubai und andere Orten an. Man muss sich also nur auf den Weg dorthin machen. Es ist zwar etwas teurer, aber immer noch machbar", so der Reiseveranstalter aus Bagdad gegenüber DW.
Flugzeug mieten? Kein Problem
Zentrum für Flugzeugleasing in der EU ist Irland. Irische Unternehmen verwalten mehr als die Hälfte der weltweit gemieteten Flugzeuge. Einige der Firmen leasen weiterhin Flugzeuge an Belavia, die für den Transport von Migranten an die EU-Grenze eingesetzt werden.
Die Unternehmen argumentieren, dass sie vertraglich dazu verpflichtet seien. Der irische Außenminister Simon Coveney erklärte, er unterstütze Sanktionen. Diese sollten sich jedoch nur auf künftige, nicht auf laufende Leasingverträge beziehen.
Andere Fluggesellschaften wie Qatar Airways und Turkish Airlines haben wesentlich strengere Kontrollverfahren und verlangen gültige Papiere. Wie das Reisebüro in Bagdad betont, kann es jedoch schwierig sein, die wahre Natur der Reise eines Passagiers zu ermitteln.
"Viele Iraker reisen jeden Tag in die Türkei und nach Dubai. Es ist unmöglich, diejenigen, die nach Weißrussland wollen, von denen zu unterscheiden, die nicht dorthin wollen."
Unter Mitarbeit von DW Arabisch und Monir Ghaedi. Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.