Lukrative Geschäfte mit Lukaschenko
22. November 2020Das deutsche Familienunternehmen Eickhoff stellt Geräte für den Bergbau her und liefert diese an verschiedene Länder von Russland bis Australien. Zu seinen Partnern gehört auch der Kaliproduzent "Belaruskali", einer der weltweit größten Hersteller von Düngemitteln. Das Staatsunternehmen aus Soligorsk mit über 16.000 Mitarbeitern ist eine wichtige Einnahmequelle für Belarus. Eickhoff beliefert "Belaruskali" nach eigenen Angaben seit 1975, "unabhängig von der politischen Aufstellung des Landes".
Gerade deshalb haben Anfang Oktober Menschen mit weiß-rot-weißen Fahnen vor der Firmenzentrale im nordrhein-westfälischen Bochum demonstriert. Die Aktivisten forderten, deutsche Lieferungen an "Belaruskali" einzufrieren, um damit gegen die Verletzung der Rechte der in Soligorsk streikenden Arbeiter auszudrücken.
Bald schon könnten ihre Forderungen erfüllt werden. Die EU beschloss am Donnerstag neue Sanktionen gegen das Regime von Machthaber Alexander Lukaschenko. Diesmal werden sich die Strafmaßnahmen gegen die belarussischen Unternehmen richten, die Lukaschenko unterstützen. Welche Firmen auf die Sanktionsliste gesetzt werden, ist noch nicht bekannt. Klar aber ist: Europäische Unternehmen werden mit ihnen keine weiteren Geschäfte mehr machen dürfen.
Deutschland gehört zu den vier wichtigsten Handelspartnern von Belarus. Laut der belarussischen Statistikbehörde Belstat belief sich das Gesamtvolumen der Einfuhren aus Deutschland im Jahr 2019 auf rund 1,5 Milliarden Euro. Deutsche Firmen liefern hauptsächlich technisches Gerät, chemische Produkte, Fahrzeuge sowie Kunststoffe.
"Geschäft ist Geschäft"
Einige Arbeiter von "Belaruskali" streiken bereits seit dem 17. August. Sie verlangen den Rücktritt Lukaschenkos und ein Ende der Gewalt gegen friedliche Demonstranten. Als der Streik begann, setzte die Unternehmensleitung die Belegschaft unter Druck, indem sie Prämien einfror und Streikende festnehmen ließ. Im Moment seien über 80 Personen im Ausstand, so der Sprecher des Streikkomitees, Gleb Sandros, der sich derzeit im Ausland befindet.
Er war es, der zuerst versuchte, ausländische Partner von "Belaruskali" zu erreichen, darunter die deutsche Firma Eickhoff. Ende September informierte Sandros schriftlich über die Repressalien gegen die Streikenden: "Wir fordern sie nicht auf, Verträge zu brechen, sondern sie nur für zwei oder drei Monate ruhen zu lassen, bis die Repressionen gegen uns aufhören", so Sandros.
Einige Tage später griffen in Deutschland lebende Belarussen seine Initiative auf und schickten ebenfalls einen Brief an Eickhoff. Da sie keine Antwort erhielten, zogen sie vor die Unternehmenszentrale in Bochum und übergaben der Firma ein Schreiben. Etwas später kam Geschäftsführer Ulf Achenbach zu den Demonstranten. "Er sagte, er unterstütze die demokratische Bewegung in Belarus, aber Geschäft sei Geschäft, und solche Probleme müssten auf politischer Ebene gelöst werden", sagt eine der Teilnehmerinnen der Aktion, Elisabeth Chigrin, Managerin einer IT-Firma in Bochum.
In der offiziellen Antwort von Eickhoff an die Demonstranten, die der DW vorliegt, wird auch darauf hingewiesen, dass ein Abbruch der Lieferbeziehung keinen großen Einfluss auf Belaruskali haben würde, sich aber negativ auf die Sicherheit unter Tage und die Einkommen der Menschen von Ort auswirken würde. Gleb Sandros hält diese Sicherheitsbedenken für Unsinn. Auf eine Anfrage der DW wollte das Unternehmen hierzu nicht weiter Stellung nehmen.
Gute Handelsbeziehungen mit Belarus
Eickhoff sei bislang die einzige Firma, die überhaupt auf die Briefe der in Deutschland lebenden Belarussen reagiert habe, berichtet Anton Malkin. Zusammen mit anderen Landsleuten habe er über 30 deutsche Unternehmen gebeten, die Zusammenarbeit mit staatlichen Unternehmen in Belarus und dem Lukaschenko-Regime zu stoppen, darunter große Unternehmen wie Bayer, Siemens, Daimler und die Commerzbank.
Auf DW-Anfrage erklärte die Commerzbank, es handele sich bei ihrem Geschäft in Belarus um die Absicherung und Finanzierung von deutschen und europäischen Exporten ins Land. "Alle Belarus-Geschäfte unterziehen wir einer restriktiven Einzelfallprüfung", teilte die Bank in einem Statement mit. Auch Siemens versicherte, der Konzern verfolge die Situation in Belarus aufmerksam. Zu den Kunden und bestehenden Verträgen im Land wollte sich das Unternehmen nicht äußern, sagte nur, dass seine "vertraglichen Verpflichtungen in Belarus auf die Entwicklung der Infrastruktur des Landes zum Wohle des belarussischen Volkes abzielen". Der Automobilkonzern Daimler wiederum versicherte, er halte sich "an alle geltenden Sanktionen und Embargos gegen Belarus".
Deutsche Wirtschaft rät zu friedlichem Dialogprozess
"Mit Sorge sehen wir, dass die politischen Auseinandersetzungen in Belarus bereits zu einer massiven Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geführt haben", schreibt der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes, in einer Erklärung. "Für Belarus sei es dringend geboten, eine schnelle politische Lösung des Konfliktes einzuleiten, um einem nachhaltigen Vertrauensverlust in der eigenen Bevölkerung, bei lokalen Unternehmen und internationalen Investoren entgegenzuwirken."
Auf eine Anfrage der DW, wie er die andauernde Zusammenarbeit deutscher Unternehmen mit belarussischen Staatsunternehmen unter solchen Bedingungen bewerte, antwortete Hermes lediglich, er könne unternehmerische Entscheidungen nicht kommentieren. Auch Wladimir Augustinski, Leiter der Repräsentanz der Deutschen Wirtschaft in Belarus, wollte dazu keine Stellung nehmen.
Unternehmen brauchen ein Signal der deutschen Politik
In der Hoffnung, die Haltung von Eickhoff zu ändern, kamen die belarussischen Aktivisten in Deutschland noch zweimal zur Unternehmenszentrale in Bochum, doch eine Reaktion gab es nicht. Unterdessen gibt es ähnliche Aktionen vor anderen deutschen Firmen.
Dazu gehört auch die Hamburger Hauni Maschinenbau GmbH, ein führender Hersteller von Maschinen für die Tabakindustrie. Das Unternehmen beliefert unter anderem die größte belarussische staatliche Tabakfabrik "Neman" in Grodno. Auf die Briefe und Demonstrationen der Aktivisten hat Hauni nicht reagiert. In der Antwort des Hamburger Unternehmens auf eine Anfrage der DW hieß es, dass Hauni sämtliche Geschäftspartner laufend im Hinblick auf nationale und internationale Sanktionslisten prüfe und solche Sanktionen strikt befolge. "Das gilt auch für unsere Geschäfte in Belarus", so die Firma.
In Köln rief vor kurzem Jörg Mährle, Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), auf einer Solidaritätskundgebung mit den Demonstranten in Belarus deutsche und europäische Unternehmen dazu auf, nicht mit Belarus zusammenzuarbeiten.
Einige Vertreter der belarussischen Gemeinde in Deutschland wollen sich mit diesen Forderungen auch an lokale Gewerkschaften und Politiker wenden und die deutsche Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass Firmen, wie sie sagen, mit "dem blutigen Lukaschenko-Regime" zusammenarbeiten. Denn damit sich daran etwas ändere, bräuchten die deutschen Firmen ein Signal von oben, meint Elisabeth Chigrin. "Wenn Deutschland auf politischer Ebene erklärt, dass es keine Produkte mehr nach Belarus liefert, weil dort die Menschenrechte verletzt werden, dann wird es auch den Unternehmen leichter fallen, die Lieferungen einzustellen", sagt sie und fügt hinzu, dass dies dann nicht ihre private Entscheidung sei, sondern eine politische von oben.
Adaption: Markian Ostaptschuk