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Die SPD, die Kultur und der Wahlkampf

6. September 2009

Mehr als andere Parteien setzt die SPD in ihren Wahlkämpfen immer wieder auf Inspiration durch Kunst und Kultur. Doch im Umfragetief 2009 will auch die kulturelle Mobilisierung nicht so recht gelingen.

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Günter Grass und Willy Brandt (Foto: dpa)
Zwei Nobelpreisträger: Grass und BrandtBild: picture-alliance/ dpa

Nun tourt er also wieder durch’s Land – Günter Grass, vielfach preisgekrönter Bestsellerautor und unverwüstlicher SPD-Sympathisant. Parteimitglied ist er zwar schon lange nicht mehr, aber trommeln möchte der mittlerweile 81jährige auch 2009 für die Sozialdemokraten. Die wiederum wissen, dass mit Kultur allein kein Wahlsieg errungen wird, erhoffen sich aber auch in diesem Jahr Feuer und Inspiration durchs Kulturelle. Dabei setzen sie eigentlich auf jüngere Kräfte aus der Kultur- und Unterhaltungsszene.

Super Nanny, Moritz und Frank-Walter

So hat SPD-Generalsekretär Hubertus Heil kürzlich eine aus dem deutschen Privatfernsehen unter dem Namen "Super-Nanny" bekannte Pädagogin als "wichtige Ratgeberin" für die Partei vorgestellt. Das Echo war verheerend. Im Internet haben sich unterdessen Schauspieler und Autoren zusammengetan, um für Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zu werben. Schriftsteller Moritz Rinke berichtet dort stolz, wie Steinmeier ihn nach einer Party nachts im Dienstwagen nach Hause gefahren hat. "Moritz" und "Frank-Walter" duzen sich seither. Auch Schriftstellerkollegin Julia Franck wirbt für einen Kanzler Steinmeier. Sie hat in ihm darüber hinaus einen Lyrik-Fan entdeckt und ihm, wie sie auf derselben Webseite kundtut, ein sehr dickes Buch mit Gedichten geschenkt.

Will kein Maskottchen sein: Tanja Dückers (Foto: dpa)
Will kein Maskottchen sein: Tanja DückersBild: picture-alliance/ZB

Autorin Tanja Dückers ist dagegen skeptisch. Engagement für Sachthemen ja – Parteienwerbung nein, sagt sie. Und im übrigen solle man als Schriftsteller Politik lieber literarisch behandeln: "In einem komplexen Roman geht das besser als im Parolenstil eines Wahlkampfs. Die Parteien haben natürlich viel davon, wenn Autoren für sie werben. Was habe ich aber als Schriftstellerin davon, Wahlmaskottchen zu sein?!"

Literaturfan Steinmeier

Literat und Literaturfan: Grass und Steinmeier (Foto: dpa)
Literat und Literaturfan: Grass und SteinmeierBild: picture-alliance/ dpa

Dass der Bundesaußenminister und Kanzlerkandidat gerne liest hat er schon mehrfach unter Beweis gestellt. Steinmeiers Engagement für die Kultur wird auch von denen lobend erwähnt, die ihm etwas distanzierter gegenüber stehen. So hat er beispielsweise dafür gesorgt, dass die auswärtige Kulturpolitik aufgewertet und die Goethe-Institute finanziell besser ausgestattet werden. In seinem Ministerium veranstaltete er Autorenlesungen, die Förderung der deutschen Sprache im Ausland hat er sich auf die Fahnen geschrieben. Und erst kürzlich, bei der Vorstellung seines "Deutschlandplans", warb der Kanzlerkandidat für ein Bündnis aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Tanja Dückers findet das - SPD hin, Wahlwerbung her - gut:"Weiter so!" ermuntert sie Steinmeier.

Lichtgestalten gesucht

Zeitzeuge:Klaus Harpprecht
Zeitzeuge: Klaus HarpprechtBild: picture-alliance/ dpa

Die SPD und die Kultur – schon seit Jahrzehnten ist dies Dauerthema in den Wahlkämpfen. Intellektuelle Zugpferde und charismatische Lichtgestalten werden händeringend gesucht, damit ein wenig Glanz auf die Partei fällt, die in diesem Jahr besonders vom schlechten Image gebeutelt ist. Der Blick in die Vergangenheit zeigt indes: Mit Willy Brandt war es einfacher. Klaus Harpprecht, Publizist und Weggefährte Brandts, erinnert sich: "Das fing an, sehr an die Person von Willy Brandt gebunden, mit dem 'Wahlkontor' 1965. Es spielte eine größere Rolle dann 1969 in dem Wahlkampf, in dem Günter Grass ganz prominent hervor getreten ist. Damit hat Grass es fertig gebracht – er war natürlich nicht alleine, es gab viele, die sich mit ihm in die Partei geworfen haben – einen großen Teil der Intellektuellen, aber auch der Künstler für die SPD zu engagieren".

Kanzler, Kunst, Klavier

Spielt Mozart: Altkanzler Helmut Schmidt (Foto: dpa)
Spielt Mozart: Altkanzler Helmut SchmidtBild: picture-alliance/dpa

Brandt wurde 1969 Kanzler – in einer Koalition mit der FDP. Auch seine sozialdemokratischen Nachfolger waren den Künsten nicht abhold: Helmut Schmidt machte sich einen Namen als hervorragender Pianist und trat mit Profi-Orchestern auf. Gerhard Schröder war der bildenden Kunst zugetan, was seine persönlichen Freundschaften mit Größen wie Markus Lüpertz und Jörg Immendorf bezeugen. Außerdem schuf er als erster das Amt eines "Staatsministers für Kultur und Medien" und berief darauf den brillanten Publizisten Michael Naumann. Heute dagegen sieht es auch da für die SPD nicht ganz so glänzend aus. In seinem Schattenkabinett hat Kanzlerkandidat Steinmeier die Position für’s Kulturelle mit der weithin unbekannten Berliner Landespolitikerin Barbara Kisseler besetzt.

Kultur – davon ist Klaus Harpprecht überzeugt – tut allen gut. Nicht nur der SPD. "Ich glaube, jede lebendige und wache und an den großen Zeitfragen wirklich interessierte Partei braucht Kultur und ich wünsche mir, dass die Konkurrenz der Parteien um die rechten Wege in der Kunst- und Kulturpolitik noch etwas schärfer wäre."

Autorin: Cornelia Rabitz

Redaktion: Sabine Oelze