Bei der Kohle fehlt Trump der Weitblick
15. Dezember 2018Spott und Protest auf der einen Seite des Saals. Verstummte Kohlebefürworter auf der anderen. Bizarre Szenen, die sich auf der Klimakonferenz im polnischen Kattowitz ereignet haben. "Wir glauben, dass kein Land wirtschaftlichen Wohlstand und eine sichere Energieversorgung dem Umweltschutz und der Nachhaltigkeit unterordnen sollte", sagte Wells Griffith, Berater von US-Präsident Donald Trump und Mitglied der US-Delegation auf der 24. Klimakonferenz. Einem Treffen, bei dem es eigentlich darum gehen sollte, durch internationale Zusammenarbeit den Klimawandel zu bekämpfen und Alternativen für fossile Brennstoffe zu finden.
Der umstrittene Auftritt spiegelt den aktuellen Kurs der US-Energiepolitik wider. Schon im Wahlkampf 2016 hatte der Präsident versprochen, die Kohleindustrie wiederzubeleben. "Trump fördert Kohle", war einer der Slogans der Kampagne.
Seit er nun im Weißen Haus sitzt, hat Trump dafür gesorgt, dass der "Clean Power Plan" seines Vorgängers Obama durch ein weniger strenges Programm ersetzt wurde. Unter anderem müssen existierende Kohlekraftwerke nun weniger strenge Richtlinien für Emissionen einhalten.
In einem weiteren Deregulierungsmanöver hat die von Trump umstrukturierte Umweltbehörde (EPA) zudem dafür gesorgt, dass auch für neue Kohlekraftwerke weniger Auflagen gelten. So müssen sie zum Beispiel nicht zwingend mit einer CO2-Abscheidungs- und Speichertechnologie ausgestattet werden. Dabei ist genau diese Technologie der Grund, warum Trump und seine Mitstreiter von "sauberer" Kohle sprechen.
Allen Wiederbelebungsversuchen aus Washington zum Trotz hat die Kohleindustrie in den letzten zwei Jahren keinen Aufschwung erlebt. Im Gegenteil: Der durch Kohle erzeugte Strom ist in den USA mit einem Anteil von rund 29 Prozent auf einen historischen Tiefstand gesunken. "Und erneuerbare Energien sind am Strommarkt auch in den vergangenen zwei Jahren gestiegen", sagt Mary Anne Hitt der DW. Sie ist Direktorin der Kampagne "Beyond Coal" des Sierra Club, des größten Umweltschutzvereins der USA.
Die Direktorin sieht dafür zwei Gründe: Entscheidungen über bestimmte Kohlekraftwerke werden in den USA auf der Ebene der Bundesstaaten oder sogar auf kommunaler Ebene getroffen, nicht in Washington. Entsprechend hat der Präsident kaum Einfluss. Und: "Energiedienstleister entdecken mittlerweile, dass es günstiger ist, auf erneuerbare Energie umzustellen, als existierende Kohlekraftwerke weiter zu betreiben."
Diese Verschiebung am Markt sei tatsächlich erst im vergangenen Jahr richtig zum Tragen gekommen, so Hitt. Der Trend mache es dem Präsidenten zunehmend schwer, für Kohle zu werben. Mindestens 40 Kohlekraftwerke haben seit Trumps Amtseinführung ihre Abschaltung angekündigt. Von den 530 Kohlekraftwerken, die 2010 am Netz waren, hat mehr als die Hälfte ihr Ende angekündigt. Sollten die Abschaltungen wie geplant in diesem Tempo weitergehen, gäbe es spätestens 2035 keine Kohlekraftwerke mehr in den USA. Das zeigen Berechnungen des Sierra Club.
Die Marktverschiebung hin zu mehr erneuerbaren Energien lässt sich ausgerechnet in Indiana beobachten. Der Bundesstaat im Nordosten gehörte bisher zu den zehn stärksten Kohleförderstaaten in den USA. Dort hat der lokale Energieversorger NIPSCO (Northern Indiana Public Service Company) vor gut zwei Monaten angekündigt, in Zukunft komplett auf die Kohle zu verzichten.
Dabei kommen heute noch gut 65 Prozent des von NIPSCO erzeugten Stromes aus den beiden Kohlekraftwerken des Versorgers. Bis 2023 soll jedoch das größte der beiden Werke komplett abgeschaltet sein, was den durch Kohle erzeugten Stromanteil um zwei Drittel verringern würde. 2028 soll das letzte Werk folgen. "Wir werden damit unsere CO2-Emissionen bis 2028 zu 90 Prozent verringern", sagt Nick Meyer, Sprecher von NIPSCO gegenüber der DW.
Die wegfallende Kohlekraft soll nahezu ausnahmslos durch Solar- und Windenergie ersetzt werden. Aber nicht etwa, weil NIPSCO besonders klimafreundlich sein will: "Berechnungen haben gezeigt, dass erneuerbare Energien im Vergleich zur Kohle profitabler für uns sind", räumt Meyer ein. Grund seien hohe Sanierungskosten in den Werken ebenso wie steigende Preise für den Rohstoff Kohle.
Bedeuten diese Entwicklungen also, dass man den Klimaschutz getrost dem Markt überlassen kann? Keinesfalls. Denn der CO2-Ausstoß durch Energieerzeugung macht gerade ein Drittel an den Gesamtemissionen der USA aus. Der größte Anteil entfällt auf das Konto von Industrie und Transport. Und um diese Emissionen zu verringern und damit etwas gegen den fortschreitenden Klimawandel zu unternehmen, brauchen auch die USA strengere Richtlinien. Und die sind mit einem US-Präsidenten Donald Trump bis auf Weiteres nicht zu erwarten.