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Begegnungen: Marie-Thérèse Schins in Afrika

Maja Dreyer11. September 2006

Die Malerin und Kinder- und Jugendbuchautorin Marie-Thérèse Schins, eine gebürtige Niederländerin, lebt in Hamburg. Aber es sind ihre Reisen nach Afrika, die ihrer literarischen Arbeit eine neue Dimension gegeben haben.

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Es begann mit einer Einladung nach Togo von einem Kollegen aus der Hamburger Hochschule. Marie-Thérèse Schins musste nicht lange zögern. Sie schlug ein, und machte eine Reise, die nicht nur ihr literarisches Leben in neue Bahnen lenkte.

“Das beeindruckenste für mich war, als wir aus dem Flugzeug kamen, Michel dort stand, mit mindestens 50 Familienmitgliedern, alle hatten Blumen in der Hand, und wir wurden empfangen, als wären wir Königin Elisabeth persönlich gewesen oder wer auch immer. Und es wurde sofort, am selben Abend, ein großes Fest organisiert, wie ich es noch nie erlebt habe, wo man auch stundenlang warten muss, bis es endlich etwas zu essen gibt, weil die Afrikaner erstmal vorher stundenlang erzählen.Und es war für mich das erste Mal, dass ich so in eine Familie aufgenommen wurde.“

Glücksgriff Doro

Ausgangspunkt für die Reise ist der Stadtteil Blankenese in Hamburg. In dem idyllischen Villenviertel hat die gebürtige Niederländerin ihre neue Heimat gewählt. Immer wieder zieht es sie an das Ufer der Elbe, wo die großen Dampfer vom Hamburger Hafen her zur Nordsee hinaus fahren.

"Meine erste große Reise habe ich gemacht mit zwölf Jahren, da hat meine Mutter ein kleines Häuschen gemietet in Noordwijk an Zee. Und dort sind wir mit allen Kindern hingefahren und es war das erste Mal, dass ich ein Meer gesehen habe. Und da habe ich auf den Dünen gestanden und zum ersten Mal einen Sonnenuntergang am Meer gesehen. Da habe ich entschieden, dort will ich hin. Ich will wissen, was hinter der Sonne ist.“

Trotzdem dauerte es noch fast 40 Jahre, bis die Jugendbuchautorin Schins ihre erste weite Reise nach Übersee machte. 1992 kam die Einladung nach Togo. Und seitdem bereist sie die Welt, ist kaum zuhause, in Blankenese. Dabei hat sie es so schön hier, in ihrer gemütlichen, weitläufigen Dachbodenwohnung mitten im herrschaftlichen Grün der privaten Parkanlagen. Und zudem hatte die erste Reise nach Afrika auch ihre sehr dunklen Seiten:

Zwei Anschläge in ihrer unmittelbaren Nähe. Schins ist sich sicher: Das war eine Warnung von der damals diktatorischen Regierung Togos, nachdem sie sich offen mit Studenten über Politik unterhalten hatte. Trotzdem: Die positiven Erlebnisse überwogen und schließlich fand sie einen Weg - mit der Figur des Mädchens Doro.

“Ich hab dann gedacht, ich lass einfach ein Kind dorthin fahren und das Kind erzählt. Und diese Erlebnisse hab ich natürlich nicht mit reingenommen. Und es ist für mich ein Glücksgriff geworden.“

Neuer Blick auf die Welt

Doro ist elf Jahre alt, Einzelkind, Tochter eines alleinerziehenden Reisejournalisten, ziemlich aufgeweckt, frech, manchmal auch etwas ängstlich. Im Buch bekommt der Vater die Einladung nach Afrika, und Doro darf mit. Schins’ Verlag reagierte jedoch ganz anders, als sie es erwartet hatte: Diese Mischung aus Reiseerzählung, Roman und Dokumentation sei nicht verkäuflich, hier es dort. Schließlich aber fand sich ein Verleger, und die erste Auflage war nach wenigen Wochen ausverkauft. Mit Doro in die weite Welt, das hat auch Deutschlands Kinder mitgerissen.

“Sie lieben eine Geschichte, die muss ich manchmal dreimal vorlesen, wo Doro auf den Bus wartet in Accra, und sie muss ganz furchtbar, und sie geht dann um diese Mauer herum und kann nichts finden, wo soll ich denn hier hinmachen und wo dann diese gemütliche Frau kommt mit dem Baby auf dem Rücken und ihr vormacht, wie sie dort Pipi machen kann. Das ist eine Sache, die die Kinder immer wieder aufgreifen und fragen, stehen da noch mehr Geschichten drin, hast du auch in deinen anderen Büchern über die Klos in Indien geschrieben? Also allein schon wegen der Klo-Geschichten wollen sie am liebsten alle Doro-Bücher lesen. Also alle solche Dinge, die bei uns selbstverständlich sind, sind in anderen Kulturen überhaupt nicht selbstverständlich.“

Indien, Australien, Amsterdam, Nordamerika -. Doros Ziele finden sich in meterlang aufgereihter Reiseliteratur und Länderkunde in den Bücherregalen unter dem Dachschrägen wieder. Gerade in Arbeit ist das sechste Buch über die reisende Doro mit dem Titel "Der rote Drache“ - das Ergebnis einer, wie Schins sagt, nicht ganz einfachen Reise nach China. Auch wenn die Autorin nicht alle ihre Erlebnisse in Doro-Geschichten verarbeitet, die Mädchenfigur, die mit der Reise nach Afrika geboren wurde, hat ihren Blick auf die Welt verändert:

Zurück zur Familie

Für ihre jugendlichen, und vielleicht auch manchen erwachsenen Leser haben Schins Bücher aber noch eine andere Dimension, als nur der Blick auf die Fremde. Denn auf diesen Reisen muss die Doro-Figur sehr viele Ängste überwinden. Dieser Aspekt bildet einen Schwerpunkt in der therapeutischen Arbeit, die Marie-Thérèse Schins neben dem Schreiben macht. Interkulturelle Schreibwerkstätten und - als gelernte Malerin - auch Malwerkstätten haben sie ebenfalls durch die Welt geführt, beispielsweise im Auftrag des Goethe-Instituts nach Kamerun. Grundlage für diese Arbeit sind oft Doros Reisegeschichten, denn so weit sie gekommen ist, so reich ist der Fundus, aus dem Kinder schöpfen können. Und das Afrika-Buch ist stets unter den beliebtesten:

"Die Kinder holen sich das raus, was sie brauchen, was im dem Moment für sie wichtig ist, was ihnen hier vielleicht fehlt. Was die Kinder aus sehr schön finden, wie die afrikanischen Kinder in großen Familien aufwachsen. Sie sind zwar arm, aber sie haben ihre Familie um sich, sie haben immer viele Kinder um sich, mit denen sie spielen können. Denn unsere Kinder, das sagen sie ja auch: Ich sitz ja ganz allein vor meinem Computer und das ist da natürlich gar nicht der Fall.“

"In Afrika war ich nie allein“ - so lautet denn auch der Titel des ersten "Kinder-Reisebuches“ von Marie-Thérèse Schins. Nimmt man dazu den Lebenslauf Schins zu Hand, die insgesamt neun Geschwister hat, möchte man meinen, dass sie sich beim Empfang mit der afrikanischen Großfamilie am Flughafen in Togo gleich heimisch gefühlt hat. Aber zunächst war es genau anders herum:

"Am Anfang war ich so ein bisschen kribbelig und auch fast aggresiv, weil ich ja nun aus einer großen Familie komme und mit 22 Jahren mich definitiv dagegen entschieden hatte, wieder in solchen Massen abzutauchen, wie es bei uns zuhause immer war, - und plötzlich war das in Afrika wieder da. Und dann merkte ich wie aufgehoben man in dieser Familie eigentlich war. Ich habe dort gelernt, das was für Afrika normal ist - zusammen zu sitzen, zu erzählen, stundenlang zu kochen -, dass das mir wieder gefallen hat. Und ich bin auch nach dem Afrika-Buch wieder sehr viel mehr in meine Heimat gefahren, um meine Familie zu besuchen. Ich bin durch diese Afrikaner wirklich wieder darauf gekommen: Moment mal, du hattest dich ja unheimlich von deiner Familie abgesetzt, aber es ist doch eigenlich was Schönes.“