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Beamter wurde nach Warnung vor G36 kaltgestellt

10. Mai 2015

Im Skandal um das mangelhafte Sturmgewehr G36 der Bundeswehr sind weitere Einzelheiten publik geworden. Danach wies ein kritischer Beamter schon 2006 auf Mängel hin. Er wurde schwerstens schikaniert.

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Rekruten der Bundeswehr trainieren mit dem G36 Sturmgewehr (Foto: Getty)
Rekruten der Bundeswehr trainieren mit dem G36 SturmgewehrBild: Getty Images/C. Koall

Der heute 61-jährige Waffen- und Munitionsexperte Dieter J. hat bereits 2006 vor gravierenden Mängeln des Sturmgewehrs G36 gewarnt. Er arbeitete seinerzeit beim damaligen Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) und hatte durch ein Gutachten feststellen lassen, dass für die Herstellung des Gewehrs ein ungeeigneter Werkstoff verwendet wird, wie die Zeitung "Bild am Sonntag" berichtet. Daraufhin wurde der Beamte mit personalrechtlichen Maßnahmen unter Druck gesetzt. Er wurde mehrfach versetzt und mit der Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Sturmgewehre betraut.

"Er sollte für verrückt erklärt werden"

In den Jahren 2008 und 2010 ordnete das Bundesamt laut "Bams" psychiatrisch-psychologische Untersuchungen bei dem Mitarbeiter an, gegen die er sich erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Koblenz gewehrt habe. "Man wollte mich damals einfach für verrückt erklären lassen", zitiert die Zeitung den Mann.

Von der Leyen verspricht "volle Aufklärung"

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen versicherte der "BamS", sie lasse jetzt alle Disziplinarmaßnahmen rund um das G36 überprüfen. "Ich habe den Auftrag erteilt, noch einmal exakt zu erfassen, welche Ermittlungen und Disziplinarmaßnahmen es im Ministerium und den nachgeordneten Behörden gegeben hat, die im Zusammenhang mit dem G36 stehen könnten." Wenn es Fälle gebe, werde von Juristen des Ministeriums erneut geprüft, "ob alles korrekt gelaufen ist".

Die Ministerin hatte am Freitag erste personelle Konsequenzen aus der Affäre gezogen. Sie kündigte die Entlassung eines früheren Abteilungsleiters ihres Hauses an. Dieser hatte versucht, unter Einbeziehung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) kritische Medienberichte über das umstrittene Gewehr zu verhindern. Die Ministerin steht unter Druck, weil sich sich nach Auffassung der Opposition nicht konsequent genug um Aufklärung bemüht hat. Informationen über diesen letztlich vergeblichen Vorstoß hatten das Büro der Ministerin erreicht, passiert war aber nichts. Die SPD schloss sich inzwischen der Forderung der Grünen an, einen Untersuchungsausschuss zu dem Fall G36 einzusetzen.

Die Bundeswehr verfügt über rund 170.000 Stück der Waffe. Weil die Gewehre bei hohen Außentemperaturen oder vielen Schüssen hintereinander überhitzen und nicht mehr treffen, will von der Leyen sie in ihrer bisherigen Version ausmustern. Erwogen wird bislang aber ausdrücklich auch eine "Produktverbesserung" der bisherigen Waffe - also ein neuer Auftrag an den Hersteller Heckler & Koch.

se/sti (dpa, afp)