Bayer verteidigt Monsanto-Kauf
28. April 2017Sie sind als Bienen oder Imker verkleidet, fahren Traktoren mit Transparenten auf, machen einen gemieteten Dreieinhalbtonner-Lastwagen zur Protestbühne, verbrennen in einem riesigen, fahrbaren Kaminofen symbolisch "Knebelpatente" und Übernahmevereinbarungen: Wenn sich die Aktionäre der Bayer AG zur Hauptversammlung treffen, werden sie regelmäßig auch von Demonstranten und Umweltschützern begleitet. So auch in diesem Jahr: Rund 300 Demonstranten haben am Freitag in Bonn vor dem World Congress Center (WCCB) gegen die geplante Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto durch Bayer protestiert.
Mit Reden und kurzen Grußworten machten das kirchliche Hilfswerk Misereor, die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL) und andere Organisationen am Rande der Bayer-Hauptversammlung auf mögliche Risiken aufmerksam. Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast hält von dem 66 Milliarden US-Dollar schweren Übernahme-Deal nichts. "Das ist das Gegenteil von dem, was wir wollen", so die Wahlberlinerin, die von 2001 bis 2005 Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz war.
"Ihr vergiftet unsere Äcker!"
Während Umwelt- und Naturschützer gegen die Pläne mit Parolen wie "BaySanto stoppen" oder "Vielfalt fördern und Marktmacht stoppen" demonstrieren, hat Bayer-Chef Werner Baumann im Saal "New York" des WCCB vor den Aktionären die Monsanto-Übername als langfristig wertschaffende Maßnahme gerechtfertigt. Vor den Anteilseignern des Unternehmens erläuterte Baumann, der mehrfach von Protestrufen ("Ihr vergiftet unsere Äcker!") unterbrochen wurde, die aus seiner Sicht großen Vorteile des geplanten Deals: Die Übernahme von Monsanto passe perfekt zur Strategie seines Unternehmens.
"Ich weiß, dass Monsanto , namentlich in Europa, keinen besonders guten Ruf hat und nicht immer eine glückliche Hand in seiner Kommunikationsstrategie hatte", so Bergmann vor den rund 3500 Aktionären. "Aber wir haben ein ganz anderes Unternehmen kennengelernt: Einen hoch innovativen Konzern, der auch als Arbeitgeber bei seinen Mitarbeitern sehr beliebt ist." Auch die bewusst geschürten Ängste vor grüner Gentechnik entbehrten jeder sachlichen Grundlage - das hätten über 100 Nobelpreisträger 2016 in einem offenen Brief erklärt.
Fusion zum Wohle der Welternährung?
Im Jahr 2050 werden voraussichtlich fast zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben, argumentiert Baumann weiter. Es sei eine der drängendsten Fragen, wie diese Menschen ernährt werden sollen – obwohl die verfügbare Ackerfläche pro Kopf zurückgeht. Nach einer Schätzung der Welternährungsorganisation FAO muss dafür die landwirtschaftliche Produktion bis zum Jahr 2050 um 50 Prozent steigen. Dies sei nur mit Innovationen möglich, so Baumann. Bayer und Monsanto gäben zusammen rund 2,5 Milliarden US-Dollar für Forschung und Entwicklung aus, um den Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen.
Umwelt- und Naturschützer, kirchliche Hilfsorganisationen und entwicklungspolitische Gruppen bis hin zu politischen Parteien sehen das freilich anders. Durch den Zukauf, der Bayer zum weltweit größten Anbieter im Pflanzenschutz und bei Saatgut macht, sowie durch weitere Fusionen in der Branche würden die Märkte nur noch von wenigen Unternehmen dominiert, die die Preise diktieren und ihre Angebote auf wenige gewinnträchtige Produkte reduzieren könnten. Auf der Strecke blieben die Artenvielfalt, Ernährungssouveränität und ein nachhaltiges Wirtschaften im Agrarsektor.
Angst vor drei Megakonzernen
Das katholische Hilfswerk Misereor hat die Bundesregierung aufgefordert, die geplante Fusion zu stoppen. So könne der Hunger auf der Welt nicht bekämpft werden, sagte der Abteilungsleiter für Politik bei Misereor, Bernd Bornhorst am Freitag vor den rund 300 Demonstranten. "Wir müssen die kleinbäuerliche Landwirtschaft mehr fördern."
Wenn es zur Fusion käme, kontrollierten drei Megakonzerne 70 Prozent des weltweiten Marktes für Saatgut und Agrarchemikalien, sagte Misereor-Expertin Alessa Heuser. Damit hätten sie einen großen Einfluss auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie die Ernährung von Milliarden Menschen. Die Kleinbauern in den südlichen Ländern seien stark von Armut betroffen. "Das ist ein Paradox, denn sie produzieren die Nahrung für die Welt."
Bereits im Oktober hatte ein Zusammenschluss mehrerer Organisationen, darunter Misereor und Brot für die Welt vor den Folgen der geplanten Übernahme gewarnt. Kleinbauern verfügten über angepasstes Saatgut und umfangreiches landwirtschaftliches Wissen und versorgten die lokalen Märkte ihrer Länder unabhängig von der Chemie und Gentechnik von Agrarkonzernen wie Bayer und Monsanto. Diese Konzerne gäben vor, den Welthunger bekämpfen zu wollen. Dazu sei jedoch der freie Zugang zu Land, Saatgut, Wasser und Bildung elementar, hieß es.
Aktionäre werden nicht gefragt
"Die Lebensgrundlage vieler Menschen im Globalen Süden steht auf dem Spiel", sagte Thorsten Moll von der Christlichen Initiative Romero. Durch die Fusion könne Bayer sowohl die Preise für das Saatgut als auch für die Düngemittel bestimmen. "Das verringert die Artenvielfalt und hat katastrophale Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit der Bäuerinnen, Bauern und ihrer Familien."
Drinnen im Saal schlug derweil Bayer-Chef Baumann vor, die Aktionäre mit einer Dividende von 2,70 Euro pro Aktie für ihre Treue zu belohnen. Bayer hat im vergangenen Jahr bei Umsatz und Gewinn wieder Rekordwerte erreicht, und auch im 1. Quartal des neuen Jahres gab es einen Gewinnsprung. Die Monsanto-Aktionäre haben bereits im Dezember 2016 die Übernahme gebilligt - hierzulande werden die Aktionäre erst gar nicht gefragt. "Eine Zustimmung der Hauptversammlung ist weder gesetzlich vorgeschrieben noch in unserer Satzung vorgesehen", so Baumann.