Bayer/Monsanto und die Mühen der Ebene
15. September 2016Bayer-Chef Werner Baumann ist Befürchtungen entgegengetreten, die lukrative Pharmasparte des Konzerns könne unter der fast 60 Milliarden Euro teuren Übernahme des US-Saatgutkonzerns Monsanto leiden. Die Pharmasparte "hat alles, was es braucht, um in den nächsten Jahren organisch weiterentwickelt zu werden", sagte Baumann dem "Manager Magazin". Außerdem werde der Konzern die Sparte auch mit kleineren Akquisitionen weiterentwickeln.
Noch nicht geklärt sind nach den Worten des Managers die Personalfragen nach der angekündigten Rekordübernahme des US-Saatgutkonzerns. "Über Personalien ist noch nicht gesprochen worden", sagte Baumann dem "Manager Magazin" und in ähnlicher Form auch dem "Handelsblatt". Monsanto-Chef Hugh Grant habe klar gesagt, dass er jetzt seine Kunden weiter "bestmöglich" bedienen und zu einem "erfolgreichen Zusammenschluss" beitragen wolle.
Die beiden Konzernlenker hatten am Mittwoch die größte Übernahme verkündet, die ein deutsches Unternehmen je gewagt hat. Die Konzerne unterzeichneten am Mittwoch eine bindende Fusionsvereinbarung und beendeten so einen monatelangen Poker. Die Monsanto-Aktionäre und die Behörden müssen dem Deal aber noch zustimmen. Die Übernahme wird Bayer zur weltweiten Nummer eins bei Saatgut und Pflanzenschutzmitteln machen.
Ratingaganturen reagieren skeptisch
Die Ratingagentur Standard and Poor's hat Monsanto nach der Bekanntgabe der Übernahme durch Bayer herabgestuft. S&P senkte am Donnerstag die Bewertung für die Kreditwürdigkeit von "BBB+" auf "BBB". Das schwierige Geschäftsumfeld für Monsanto werde sich mindestens ein Jahr lang nicht bessern, hieß es zur Begründung.
Für den Fall, dass die Übernahme erfolgreich verläuft, stellte die Agentur aber zugleich eine Wiederheraufstufung in Aussicht. Sie stellte Monsanto auf die Liste für eine beschleunigte Prüfung für eine Anhebung des Ratings ("Credit Watch Positive"). S&P wolle den Verlauf der Transaktion genau prüfen.
Bayer selbst bleibt von einer Herabstufung bedroht. Bereits im Mai hatte S&P die Pläne kritisch gesehen und Bayer auf "Credit Watch Negative" gesetzt. Finanzielle Risiken sieht auch die Ratingagentur Fitch, die Bayer ebenfalls seit Mai mit einer Herabstufung droht. Der Kaufpreis habe letztlich höher gelegen als bei der Betrachtung im Mai angenommen, teilte Fitch am Donnerstag mit.
Die Pharmasparte wird an Bedeutung verlieren
Vor allem für größere Zukäufe im Arzneimittelbereich dürfte den Leverkusenern nun das Geld fehlen. "Nach einem Monsanto-Deal wäre es weitgehend ausgeschlossen, dass Bayer über die nächsten zwei bis drei Jahre die finanzielle Flexibilität für Zukäufe im Pharmabereich behält", sagt Fondsmanager Markus Manns von Union Investment. Dafür bestehe derzeit aber auch nicht "dramatische Notwendigkeit", vielmehr müsse sich das Management nun auf die Integration von Monsanto konzentrieren.
Wenn Baumann die Übernahme von Monsanto erfolgreich unter Dach und Fach bringt, werden sich die Gewichte bei Bayer deutlich zugunsten des Agrarchemiegeschäfts verschieben. Bayer - ohne die Kunststofftochter Covestro - erzielte im vergangenen Jahr im Pharmageschäft noch 45 Prozent seines Umsatzes und 30 Prozent im Agrargeschäft CropScience. Zusammen mit Monsanto würde der Umsatzbeitrag des Saatgut- und Pflanzenschutzgeschäfts dagegen auf fast 50 Prozent steigen.
Bedenken in Brüssel, Widerstand in Hannover
Die EU-Kommission dringt nach der Übernahme Monsantos durch Bayer auf Vielfalt am Markt für Landwirtschaftsprodukte. Wichtig sei, dass Bauern auch weiterhin eine Wahl beim Kauf von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut hätten, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Donnerstag.
Bayer und Monsanto kommen bei diesen Produkten zusammen auf einen Weltmarktanteil von über einem Viertel und sind damit der größte Anbieter. Vestager betonte, der Agrarmarkt sei bereit jetzt sehr eng und umfasse nur einige wenige Branchengrößen.
Widerstand gegen die Megafusion will unter anderem der niedersächsische Agrarminister Christian Meyer (Grüne) leisten. In einem Interview mit der Oldenburger "Nordwest-Zeitung" warnte er vor einem "Weltmonopol für unsere Lebensgrundlagen" und kündigte an: "Wir werden alle politischen und rechtliche Möglichkeiten nutzen, um die Fusion zu verhindern."
Ist das "Menschenrecht auf Nahrung" in Gefahr?
Entwicklungsorganisationen haben die vereinbarte Fusion als schlechte Nachricht für Bauern weltweit kritisiert. Die Übernahme bedeute eine weitere Markt- und damit Machtkonzentration auf dem ohnehin bereits hoch konzentrierten Agrarmarkt, erklärten die Organisationen Misereor, Fian, Inkota und "Brot für die Welt" am Mittwochabend in Köln. Sie forderten die Kartellbehörden auf, den Zusammenschluss zu verhindern.
Von Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung hätten in den vergangenen Jahren nur die großen Akteure im weltweiten Agrargeschäft profitiert, sagte der Referent für Landwirtschaft und Ernährung beim entwicklungspolitischen Netzwerk Inkota, Jan Urhahn. Bereits heute kontrollierten die "großen sechs" - Monsanto, Syngenta, Bayer, DuPont, Dow und BASF - 75 Prozent des globalen Agrarchemiemarktes und mehr als 60 Prozent des Saatgutmarktes. Neben Monsanto-Bayer haben auch DuPont und Dow sowie ChemChina und Syngenta Zusammenschlüsse angekündigt.
Der Agrar-Referent der Menschenrechtsorganisation Fian, Roman Herre, sagte, mit Saatgut von Bayer und Monsanto lasse sich keine zukunftsfähige Landwirtschaft betreiben. "Beide Konzerne produzieren genmanipuliertes Saatgut und die korrespondierenden Pestizide, die sie im 'Kombi-Pack' verkaufen", erklärte er. "Wir dürfen die Welternährung nicht in die Hände eines Agro-Oligopols legen und damit das Menschenrecht auf Nahrung in Gefahr bringen."
dk/wen (dpa/rtr/epd)