Bayer Leverkusen und der Titelfluch
4. Juli 2020Bayer 04 Leverkusen knabbert an seinem Image des "ewigen Zweiten". Dennoch ließ der Bundesligist den Patentschutz für den Spottnamen "Vizekusen" um zehn weitere Jahre verlängern. Das habe absolut nichts mit dem DFB-Pokalfinale an diesem Samstag (Anpfiff 20 Uhr, ab 19.30 Uhr im DW-Liveticker) zu tun, in dem die Werkself auf den deutschen Meister und Titelverteidiger FC Bayern München trifft, betonte Bayer-04-Geschäftsführer Fernando Carro gegenüber der "Bild"-Zeitung: "Wir haben dieses Patent alleine deshalb verlängert, damit es nicht von anderen benutzt werden kann. Wir selbst verwenden den Begriff ohnehin nicht und werden im Übrigen alles daransetzen, dass er sich ab diesem Sommer endgültig überholt hat." Seit 2010 hält Leverkusen das Patent auf "Vizekusen", damit andere nicht damit werben können.
Verflixtes Jahr 2002
Bayers letzter Titel liegt 27 Jahre zurück: 1993 sicherten sich die Leverkusener durch einen 1:0-Sieg gegen die Amateure von Hertha BSC den DFB-Pokal. Fünf Jahre zuvor, 1988, hatte die Werkself mit Trainer Erich Ribbeck sensationell gegen Espanol Barcelona den UEFA-Pokal gewonnen. Seitdem herrscht Titelflaute. Den Spottnamen "Vizekusen" erhielt die Mannschaft 2002, als sie unter Klaus Toppmöller innerhalb weniger Wochen erst den schon sicher geglaubten deutschen Meistertitel verspielte - Borussia Dortmund zog am vorletzten Spieltag an Bayer vorbei und wurde Meister - und sowohl im DFB-Pokal (2:4 gegen den FC Schalke 04) als auch in der Champions League (1:2 gegen Real Madrid) die Endspiele verlor.
Champions-League-Startplatz verspielt
Im DFB-Pokalfinale am Samstag ist Bayer in der Außenseiterrolle. Die Münchener gewannen alle neun Bundesliga-Spiele nach der Saisonunterbrechung wegen der Corona-Pandemie und sicherten sich damit überlegen den achten deutschen Meistertitel in Serie. Der Rekordmeister ist auch Rekordpokalsieger und kommt mit breiter Brust nach Berlin. Es läuft einfach rund bei den Bayern, deren Vormachtstellung im deutschen Fußball durch die an diesem Freitag offiziell bestätigte Verpflichtung von Nationalspieler Leroy Sané eher noch wachsen dürfte.
Leverkusen dagegen verspielte nach der Corona-Pause durch Heim-Niederlagen gegen Wolfsburg (1:4), Bayern (2:4) und bei Hertha (0:2) die gute Chance auf eine Champions-League-Startplatz und muss nun in der kommenden Saison mit der Europa League vorliebnehmen. Vor dem Pokalfinale ereilte das Team von Trainer Peter Bosz die nächste Hiobsbotschaft: Paulinho zog sich im Training einen Kreuzbandriss zu. Der 19 Jahre alte brasilianische Stürmer fällt für mehrere Monate aus.
Havertz spielt vor
Die Augen werden sich in Berlin auf Leverkusens Jungstar Kai Havertz richten. Vor der Corona-Pandemie war man davon ausgegangen, dass der 21-Jährige, der als Deutschlands größtes Talent gilt, Bayer 04 in diesem Sommer für eine Ablösesumme von mindestens 100 Millionen Euro verlassen würde.
Zu den Interessenten zählte neben den europäischen Topklubs Real Madrid, FC Liverpool und Manchester United auch der FC Bayern. Durch die Corona-Krise ist jedoch auch Havertz' Marktwert gesunken. Möglicherweise wird er noch ein weiteres Jahr in Leverkusen spielen, in der Hoffnung, dass sich der Markt bis dahin einigermaßen erholt. Für Havertz bietet das Pokalfinale die Chance, sich noch einmal eindrucksvoll in Erinnerung zu bringen.
Wenn nicht jetzt, dann später?
"Wir haben eine gute Mannschaft. Und wir haben eine Chance, das Spiel zu gewinnen", sagte Bayer-04-Sportdirektor Simon Rolfes fast schon trotzig: "Wie groß diese ist, ist für mich völlig irrelevant." Sollte es am Samstag wieder nicht klappen, bietet sich Leverkusen noch eine weitere Chance, die Titelfluch zu beenden: beim Europa-League-Finalturnier der letzten Acht in Nordrhein-Westfalen, das am 10. August beginnt und am 21. August mit dem Finale in Köln endet. Bei den Wettquoten der Buchmacher liegt Leverkusen hinter Manchester United auf Platz zwei - dem "Vizekusen"-Image entsprechend.