Barroso soll neuer Chef der EU-Kommission werden
28. Juni 2004
Der portugiesische Ministerpräsident José Manuel Durão Barroso soll neuer EU-Kommissionspräsident werden. Nach langer Suche präsentierte der EU-Ratsvorsitzende und irische Ministerpräsident Bertie Ahern am Sonntag (27.6.2004) den 48-jährigen Vorsitzenden der liberal-konservativen PSD als Kandidaten für die Nachfolge von Kommissionspräsident Romano Prodi. Ahern berief nach ausführlichen Konsultationen mit den Regierungschefs der anderen 24 EU-Mitgliedsländer für Dienstagabend einen EU-Sondergipfel in Brüssel ein, bei dem er Durão Barroso offiziell vorschlagen will.
Auch Schröder für Barroso
Unter den EU-Regierungschefs gebe es "überwältigende Unterstützung" für Durão Barroso, erklärte Ahern in Dublin. Er hoffe, dass der Portugiese positiv darauf reagieren werde. Er habe diesen bereits am Samstagabend über die Entwicklung informiert. Der Portugiese kann auch mit Unterstützung Deutschlands rechnen. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, er sei sich mit CDU-Chefin Angela Merkel einig. Er wolle auf Ebene der Regierungschefs, Merkel bei den anderen konservativen Parteien für Durão Barroso werben.
Mehr Transparenz gefordert
Prodis Amtszeit läuft am 31. Oktober aus. Beim Brüsseler EU-Gipfel vor zehn Tagen hatten weder der von Frankreich und Deutschland unterstützte belgische Regierungschef Guy Verhofstadt noch der Kandidat der Konservativen, der außenpolitische EU-Kommissar Chris Patten, die nötige Zustimmung gefunden. In einem BBC-Interview kritisierte Patten den "Kuhhandel" und mangelnde Durchschaubarkeit der Kandidatenkür: "In Zukunft brauchen wir einen Prozess, der transparenter ist und bei dem es einen direkten Dialog zwischen dem Europäischen Rat und dem Europa- Parlament gibt." Die EVP-Fraktion der Konservativen und Christdemokraten im EU-Parlament hatte sich gegen den Liberalen Verhofstadt positioniert.
Sie will Barroso bei der nötigen Bestätigung im Europäischen Parlament unterstützen. Die Sozialisten als zweitgrößte Fraktion im Europa-Parlament hatten am Wochenende hingegen ihre Zweifel an der Eignung Barrosos für das Amt bekräftigt. Sie halten dem Portugiesen einen Mangel an sozialer Überzeugung und an europäischer Erfahrung vor. In einem offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs forderten die Sozialistische Partei Europas (SPE) und deren Fraktion im Parlament, Alternativen zu Barroso zu suchen.
Kandidatur führt Portugal in Regierungskrise
In Portugal haben die Berichte über eine Kandidatur Barrosos bereits zu einer Regierungskrise geführt. Die gesamte Opposition forderte für den Fall eines Weggangs des Ministerpräsidenten Neuwahlen. Die Sozialisten, die die Europawahlen klar gewonnen hatten, erklärten, nur durch vorgezogene Wahlen könne die Legitimität der Regierung erhalten bleiben, wenn der Ministerpräsident nach Brüssel gehe. Barroso wollte am Sonntag zum NATO-Gipfel nach Istanbul reisen, wo am Rande auch Gespräche über die neue EU-Spitze erwartet wurden. (ali)