1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Bargeld - wer es will und wer nicht

Lea Fauth
17. Dezember 2016

In immer mehr Ländern werden große Geldscheine abgeschafft. Gleichzeitig kaufen vor allem Deutsche vermehrt Tresore, um Bargeld aufzubewahren. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, wissen die wenigsten.

https://p.dw.com/p/2UGRY
Deutschland Euro-Schein auf der Straße
Bild: Imago/imagebroker

Stellen wir uns vor, unser Smartphone wäre unser Portemonnaie. Statt lange an der Kasse zu stehen, weil jeder erst einmal nach den passenden Scheinen suchen muss, auf das Rückgeld wartet oder den Code für die EC-Karte eingeben muss, wird das Handy einfach über den Scanner gezogen, fertig. Kein Bargeld mehr.

Das Szenario ist gar nicht so unwahrscheinlich. Das bargeldlose Zahlen ist in vielen Ländern der Welt bereits Normalität. In Indien wurden große Geldscheine im Dezember komplett abgeschafft. In Griechenland will die Regierung ihre Bürger durch Steuererleichterungen dazu animieren, bargeldlos zu zahlen. Und in den skandinavischen Ländern ist Kartenzahlung sogar beim Bäcker oder am Kiosk üblich. Für die Nutzer ist das erst einmal praktisch: Der Betrag wird abgebucht, sobald man die Karte an das Gerät hält. Kein Pin, keine Unterschrift. Und auch kein umständliches Herumkramen mit passenden Münzen oder Scheinen.

In Deutschland ist Bargeld dagegen sehr beliebt. 75 Prozent aller Zahlungen werden in bar erledigt. Als die Bundesregierung im Mai 2016 die Abschaffung der 500-Euro-Scheine ankündigte, entfachte das eine große Debatte. Petitionen wurden gestartet, deren Initiatoren die Abschaffung des Bargelds befürchten. Kritiker sehen den Datenschutz bedroht: Durch die Digitalisierung der Zahlungen stehe man bis in die kleinsten Alltagsgewohnheiten unter Beobachtung. Der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier sagte im Juni bei einer Tagung der Deutschen Bundesbank, es gehe um "nicht unwesentliche Beschränkungen mehrerer Grundrechte".

Ist Bargeld bald Vergangenheit?

Aber welches Interesse verfolgt Deutschland finanzpolitisch bei der Einschränkung der Bargeldnutzung? Das alte Argument "Terrorismus" wurde auch in dieser Debatte herangezogen. Es gehe bei der Bargeldbegrenzung um "die Eindämmung von Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche", sagte damals Levin Holle, Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium.

Fakt ist, dass sich in der EU momentan die Politik der Null- und sogar Negativzinsen stabilisiert. Eine dauerhafte Entwicklung, glaubt Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, der an der Universität Bremen Professor für Finanzwissenschaften ist. Im November schrieb er in der Monatszeitschrift Blätter vom Minuszinskapitalismus, der sich schon seit den 1980er Jahren entwickele und der mit dem "gesamtwirtschaftlichen Sparen" der EU zu tun habe, und von der Europäischen Zentralbank (EZB) immer weiter betrieben werde.

Griechenland Öffnung der Banken in Athen
Künftig soll die Verwendung von Bargeld in Griechenland drastisch reduziert werdenBild: Getty Images/M. Bicanski

Das bedeutet: Die Banken, die von der Europäischen Zentralbank Geld bekommen, müssen auf ihre Einlagen bei ihrer Notenbank einen Strafzins von derzeit 0,4 Prozent bezahlen. Vermutlich werden die Banken diesen Strafzins, der für sie ja einen Verlust bedeutet, langfristig auf die Kunden abwälzen. In der Schweiz ist das bereits Realität: Die Bank Postfinance kündigte an, ab Februar einen Negativzins für besonders wohlhabende Kunden einzuführen.

Deutsche kaufen mehr Tresore

Was heißt das für die Kunden? Normalerweise vermehrt sich Geld, wenn man es auf dem Sparkonto deponiert. Das sind die Zinsen. Wenn hingegen Negativzinsen erhoben werden, hat der Kunde am Ende nicht mehr, sondern weniger Geld auf seinem Konto. Wer macht so was? Es scheint nahe liegend, dass Menschen ihr Geld lieber bar horten, als einen solchen Verlust in Kauf zu nehmen. 2016 kauften die Deutschen so viele Tresore wie seit Jahren nicht mehr. Um genau das zu verhindern, ist es also im Interesse der Banken, wenn Sparer Konten haben und weiterhin auch auf digitale Zahlungsformen angewiesen sind.

Starökonom Kenneth Rogoff, der sich für die Abschaffung des Bargeldes einsetzt, nennt diese Gründe offen beim Namen. "Die Zentralbanken könnten auf diese Weise leichter Negativzinsen durchsetzen, um so die Wirtschaft anzukurbeln", sagte er bei einer Veranstaltung des Münchener Ifo-Instituts, um für die Abschaffung des Bargeldes zu werben. Ob die Bargeldgrenze in den EU-Ländern mit denselben Argumenten durchgesetzt wird, kann man nur vermuten.

"Seine Überlegungen haben bereits dazu geführt, dass die EZB die 500-Euro-Scheine abschaffen wird und Deutschland eine Grenze von 5.000 Euro für Barzahlungen diskutiert", will zumindest der Finanzbuchverlag wissen, der Rogoffs Buch ("Warum unser Bargeld verschwinden wird") mit diesen Worten auf dem Klappentext bewirbt. Wer wundert sich da noch über Verschwörungstheorien.

Entemotionalisierung der Debatte

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versicherte im Mai 2016 jedoch, dass es in Deutschland keine Bargeldabschaffung geben werde, sondern nur eine Obergrenze. Allerdings hatte er im Februar auch nachdrücklich versichert, dass es keine Bargeldobergrenze geben würde - die er nur wenige Monate später einführte.

Eine "Entemotionalisierung der Debatte" wünscht sich auch Daniela Trochowski von der Linken. Das Argument, man könne mit einer Digitalisierung des Geldes Steuerhinterziehung bekämpfen, ist für die Staatssekretärin des Finanzministeriums Brandenburg ausschlaggebend. Sie ist nicht für die Abschaffung von Bargeld, aber für eine Begrenzung. Eine Obergrenze von 3.000 bis 5.000 Euro pro Barzahlung würde die Normalbürger in ihrem Alltag ohnehin nicht betreffen, argumentiert sie im Gespräch mit der DW. Anders als Rudolf Hickel hält Trochowski die Negativzinsen für ein temporäres Phänomen.