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Barfuß gegen Netanjahu

Bettina Marx20. Juli 2003

Mit einer spektakulären Aktion protestierte eine allein erziehende Mutter gegen die Steuerpolitik der israelischen Regierung: Vicky Knafo wanderte durch die Wüste.

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Kein Freund allein erziehender Mütter - Finanzminister Benjamin NehtanjahuBild: AP

200 Kilometer zu Fuß durch die Wüste war Vicky Knafo gelaufen. Von ihrer Heimatstadt Mitzpeh Ramon im Süden Israels bis nach Jerusalem. Als die allein erziehende Mutter von drei Kindern im Regierungsviertel der israelischen Hauptstadt ankam, waren ihre Füße geschwollen und ihre Schuhe kaputt. Barfuß, in der einen Hand eine israelische Fahne, in der anderen ein Mobiltelefon, versuchte sie den Finanzminister Benjamin Netanjahu zu sprechen. Ihre Forderung: Er soll seine Kürzungen rückgängig machen, sonst haben sie und die anderen rund 100.000 alleinerziehenden Mütter in Israel nicht mehr genug zum Leben.

Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Mütter

Wie in Deutschland geht es auch der Wirtschaft in Israel nicht gut. Und ebenso wie in Deutschland soll in Israel die Wirtschaft mit Steuersenkungen wieder angekurbelt werden. Die Idee: Zahlen die Bürger weniger Einkommenssteuern, haben sie mehr Geld in den Taschen und konsumieren mehr. Steigender Konsum wiederum bringt die Wirtschaft wieder in Schwung. Der Haken: Wenn der Staat weniger einnimmt, muss er mehr Schulden machen oder seine Ausgaben senken. Da das Haushaltsdefizit eh schon hoch ist, werden in Israel die Ausgaben gesenkt. Die Kürzungen treffen alleinerziehende Mütter besonders hart.

Um gegen diese Politik zu protestieren, marschierte Vicky Knafo durch die Wüste. Und tatsächlich kam der Finanzminister Bibi Netanjahu auf die Straße zu Vicky Knafo und den anderen Frauen, die inzwischen vor seinem Ministerium ein Zelt aufgebaut hatten. Viel zu bieten hatte er jedoch nicht: Er brachte etwas Käsekuchen und plauderte mit den Frauen. So einfach wollten die sich aber nicht abspeisen lassen. Sie verlangten: Der Finanzminister solle nach anderen Geldquellen suchen, um den maroden israelischen Staatshaushalt zu sanieren.

Sollen sie doch arbeiten gehen

Ohne die bisherigen staatlichen Zuschüsse kann Vicky Knafo nicht leben: Sie kocht für einen Kindergarten in ihrer Heimatstadt Mitzpeh Ramon. Von ihrem Lohn, 1.200 Shekel - rund 250 Euro, kann sie sich und ihre drei Kinder jedoch nicht ernähren. Bis vor kurzem bekam sie vom Staat einen Zuschuss von insgesamt rund 3.000 Shekel - etwa 550 Euro. Nach den neuen Spargesetzen wurde davon jedoch fast die Hälfte gestrichen.

Mit den Kürzungen will die Regierung nicht nur die Steuererleichterungen finanzieren, sie versucht außerdem allein erziehende Mütter anzuspornen, sich Arbeit zu suchen. Larissa, die sich dem Protest von Vicky Knafo angeschlossen hat, beklagt: "Es gibt keine Arbeit in Mitzpeh Ramon. Ich war schon beim Arbeitsamt, die haben mich zu einer Textilfabrik geschickt. Aber dort wurde mir gesagt, dass sie niemanden einstellen können, weil sie kein Geld haben. Und woanders arbeiten? Was wird dann aus den Kindern?"

Immer mehr Frauen protestieren

Der Marsch von Vicky Knafo macht derweil Schule. In einer anderen kleinen Wüstenstadt, Arad, hat sich Ilana Azoulay auf den Weg nach Jerusalem gemacht. Ihren behinderten Sohn Yossi schiebt sie in einem Rollstuhl vor sich her. Von den Kürzungen ist sie noch schlimmer betroffen als Vicky Knafo. Gerade einmal 371 Shekel, das sind weniger als 100 Euro, bleiben ihr im Monat zum Leben. Zu wenig, erklärt Ilana Azoulay dem israelischen Rundfunk per Telefon von unterwegs. Wütend protestiert sie gegen die Wirtschaftspolitik: "Ich habe einen Vorschlag für Bibi Netanjahu - Du und Scharon und alle anderen, die immer so gute Ideen haben. Nehmt mich und alle Alleinerziehenden in Israel, werft uns in einen Graben, schüttet Benzin über uns und zündet uns an, dann seid Ihr uns los."