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Politik

"Es ist wie eine Hexenjagd"

Hülya Topcu
26. April 2017

Trotz aller Drohungen schweigt sie nicht: Im DW-Gespräch beschreibt die mit dem Henri-Nannen-Sonderpreis ausgezeichnete türkische Journalistin Banu Güven die zunehmende Unterdrückung der Pressefreiheit in der Türkei.

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Symbolbild Türkei Einschränkung der Meinungsfreiheit
Bild: picture alliance/dpa/S. Suna/epa

Die 47-jährige türkische Journalistin und Fernsehmoderatorin Banu Güven ist am Mittwoch in Hamburg für ihren Einsatz für die Pressefreiheit in der Türkei mit dem Sonderpreis des Henri Nannen Preises 2017 geehrt worden. "Banu Güven lässt sich nicht zum Schweigen bringen, trotz aller Drohungen und Einschüchterungen", erklärte Christian Krug, Chefredakteur des von Nannen gegründeten Magazins "Stern" am Mittwoch in Hamburg. "Wir ehren sie stellvertretend für all die türkischen Journalisten, die auch unter schwierigsten Bedingungen nicht aufgeben."    

Deutsche Welle: Was bedeutet dieser Preis für Sie?

Banu Güven: Dieser Preis bedeutet für mich Solidarität und Hoffnung. Er geht gleichzeitig an alle meine Kollegen und Kolleginnen, die der Unterdrückung in der Türkei widerstehen oder sogar im Gefängnis sitzen müssen. Das ist ein Preis, der uns mehr Mut macht, und diese Solidarität hilft sehr, den Widerstand in der Türkei fortzusetzen.

Werden Sie wegen ihrer Berichterstattung bedroht?

Ja, über soziale Medien passiert das öfter. Seit der Proteste im Gezi-Park 2013 hat die Regierung festgestellt, dass sie auch in den sozialen Medien Netzwerke haben sollte. Wir haben gemerkt, dass viele AKP-Trolle mit Hass-Kampagnen auf uns los gelassen wurden. Wenn man eine kritische Journalistin ist, dann bekommt man zudem Sexismus zu spüren. Man wird dann zur Zielscheibe, hört schlimme Sachen.

Es gibt sehr viele Drohungen, sexistische und andere. Zum Beispiel, dass man die Person irgendwo finden werde, es ihr zeigen werde, sie bestrafen werde, oder dass man die Journalistin bei der Polizei anzeigen werde, weil sie etwas Kritisches geschrieben hat. Dann hat man schon das Gefühl, dass man auf der Straße vorsichtig sein muss. Das geht nicht nur mir so, sondern auch anderen Journalisten, zum Beispiel TV-Teams, wenn sie auf der Straße filmen. Sie sind vorsichtig, insbesondere wenn sie von ausländischen Medien kommen.

Als Journalisten haben wir haben das Gefühl, dass wir gut auf uns aufpassen müssen. Es kommt vor, dass die regierungsnahe Zeitungen und Webseiten sich jemanden heraussuchen, einige machen das ganz oft mit mir, und behaupten, dass ich Demonstranten auf der Straße nach dem Referendum aufwiegeln würde. Das schränkt unsere Freiheit ein, die wir brauchen, um unseren Beruf auszuüben. Das ist wie eine Hexenjagd, ausgeführt von der Regierung, ihren Trollen und regierungsnahen Medien. Und dazu kommt noch, dass der Präsident Journalisten, wie im Fall Deniz Yücel oder Hasan Cemal und Nuray Mert, selbst als Terroristen oder Spione bezeichnet. Das ist sehr gefährlich.

Pressefreiheit in der Türkei Banu Güven
Die türkische Journalistin Banu Güven im Studio des TV-Senders IMC, der im Oktober 2016 geschlossen wurdeBild: picture alliance/dpa/M. Schmitt

Seitdem der türkische Fernsehsender IMC TV, ihr letzter Arbeitgeber, geschlossen worden, sind Sie in den sozialen Medien aktiv. Gleichzeitig arbeiten Sie auch für das Projekt vom WDR "Türkei unzensiert". Haben Sie vor, die Türkei zu verlassen, so wie es andere Journalisten bereits getan haben?

Ich möchte das nicht. Ich finde es zwar sehr wichtig, dass sich Kollegen in Deutschland oder woanders in Sicherheit fühlen und frei arbeiten können und dadurch indirekt auch einen freien Raum für die Kollegen herstellen, die in der Türkei arbeitslos wurden. Aber ich persönlich möchte solange wie es geht in der Türkei bleiben und dort meinen Beruf ausüben.

Wie sehen Sie die Zukunft der Türkei, insbesondere nach dem umstrittenen Verfassungsreferendum?

Das Ergebnis des Referendums ist sehr umstritten. Ich denke nicht, dass die Hälfte der Gesellschaft das Ergebnis so hinnehmen wird. Es wird weiterhin Demonstrationen und Proteste auf den Straßen geben. Aber immerhin werden Menschen zusammenkommen und versuchen, auf demokratischem Wege etwas zu erreichen. Eigentlich hat der Präsident verloren, auch wenn behauptet wird, dass er etwas mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen hat. Er hat in Istanbul und Ankara verloren. Also macht sich diese Hälfte der Gesellschaft schon Hoffnung.

Andererseits bin ich ein bisschen pessimistisch, weil ich überall ähnliche Entwicklungen sehe, zum Beispiel die populistische Politik in den USA und Europa. Der Erfolg Erdogans und der AKP-Regierung liegt zum Teil auch daran. Erdogan hat schon in der ersten Rede nach dem Referendum gezeigt, dass er weiterhin so populistisch bleiben und vielleicht die Todesstrafe einführen wird. Ich fürchte mich wirklich davor, dass wir jetzt in diese Richtung gehen und bald schon wieder abstimmen müssen, dann über die Todesstrafe. Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt. 

Banu Güven arbeitete von 2014 bis 2016 als Nachrichtenmoderatorin für den regierungskritischen TV-Sender IMC. Im September 2016 wurde der Sender von der Polizei wegen seiner angeblichen Nähe zu Terrororganisationen geschlossen. Zuvor war Güven (1997 - 2011) für den TV-Sender NTV in Istanbul tätig. 2011 wurde sie dort entlassen, nachdem sie ein Interview mit dem Schriftsteller und Menschenrechtler Vedat Türkali geführt und ein weiteres mit der kurdischen Politikerin Leyla Zana geplant hatte. Aktuell veröffentlicht Banu Güven ihre Recherchen unter anderem in einem Podcast auf Facebook und arbeitet für das WDR-Projekt "Türkei unzensiert".

Das Interview führte Hülya Topcu.