Attica-Bank bringt griechische Regierung in Bedrängnis
3. Oktober 2016Ein Kreditinstitut erregt Aufsehen in Hellas: die Attica-Bank, das fünftgrößte Geldhaus des Landes. Für Schlagzeilen sorgte die Bank zuletzt im Zusammenhang mit dem Auktionsverfahren zur Vergabe von vier landesweiten TV-Lizenzen. Zu den Meistbietenden gehörte Ioannis Kalogritsas, Spross einer Unternehmensfamilie, der nur mitmachen durfte, weil die Attica-Bank für ihn bürgte. Dem Baulöwen werden gute Kontakte zur regierenden Linkspartei SYRIZA nachgesagt.
Nachdem Kalogritsas eine Lizenz für sagenhafte 52,6 Millionen Euro ergattern konnte, berichteten Athener Medien von den auffallend vielen Staatsaufträgen an seine Baufirma in jüngster Zeit. Und auch von lockeren Krediten durch die Attica-Bank, deren Hauptaktionär die Rentenkasse der Ingenieure (TSMEDE) ist. Unter Druck geraten, zog sich Kalogritsas aus dem TV-Geschäft zurück. Doch die Fragen häufen sich. Und die Attica-Bank wird zunehmend zum Politikum.
"Ein Hauch von Vetternwirtschaft"
Oppositionssprecher Jorgos Koumoutsakos sieht einen "Hauch von Vetternwirtschaft" bei der Kreditvergabe an politische Freunde durch die Attica-Bank. Die linksgeführte Regierung von Alexis Tsipras geht in die Gegenoffensive und wirft den einst mitregierenden Konservativen und Sozialisten vor, sie hätten selbst Kredite von der gescholtenen Bank erhalten.
Im Gespräch mit der DW schildert der sozialdemokratische EU-Parlamentarier Miltos Kyrkos die aktuelle Lage wie folgt: "Die Regierung wollte eine Art Hausbank aufbauen, um Gefälligkeiten zu verteilen. Deshalb haben in den vergangenen Monaten sämtliche Staatsunternehmen und auch die Rentenkasse der Ingenieure einen Teil ihrer Ersparnisse an die Attica-Bank überwiesen." Dadurch hätten sie die Kapitalerhöhung der Bank praktisch mitfinanziert. "Von diesen Geldern wurden Kredite zu privilegierten Konditionen gewährt", so Kyrkos' Vorwurf. Kredite, die der Regierung nahestehende Personen unter normalen Umständen gar nicht erhalten hätten und die zu einem beachtlichen Teil nicht zurückgezahlt werden: Der Anteil der "leistungsgestörten Kredite", - also Verbindlichkeiten, die mindestens einmal nicht bedient wurden - soll bei der Attica-Bank auf einer Rekordmarke von 57 Prozent liegen. Sogenannte "faule Kredite" - Verbindlichkeiten, die drei Monate lang nicht mehr bedient wurden - werden auf mindestens 40 Prozent geschätzt. Nach Angaben der Zeitung Kathimerini hat das Geldhaus seit Anfang 2015 "bestimmten" Kunden Neukredite im Umfang von mehr als 400 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, obwohl während dieser Zeit die Einlagen krisenbedingt um 1,2 Milliarden schrumpften.
Vorgängerregierung mitverantwortlich
Es spricht allerdings viel dafür, dass die Lage schon vor dem Linksruck in Athen im Januar 2015 aus den Fugen geraten war: Laut Kathimerini stiegen die Verwaltungskosten der Bank von 1999 bis 2013 um das Vierfache. Ein führendes Mitglied der Finanzdirektion musste vor zwei Jahren wegen Diplom-Fälschung zurücktreten, berichtet das Blatt.
Weitere, zum Teil gravierende, Kritikpunkte erhält ein Prüfungsbericht, den die griechische Zentralbank im Auftrag der europäischen Bankenaufsicht (SSM) erstellt hat. Dort wird dem betroffenen Kreditinstitut unter anderem eine Kapitallücke von 70 Millionen Euro attestiert. Ein Bankenanalyst, der nicht namentlich genannt werden will, sagt der DW, dass die Bank möglicherweise Ausschau nach einem Investor halte, der jedoch kaum bereit wäre einzusteigen, wenn die Altlasten, nämlich die faulen Kredite, nicht geregelt würden.
Streit mit der griechischen Zentralbank
Die kleine Attica-Bank gilt nicht als systemrelevant und fällt deshalb nicht unter die direkte Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB). EU-Parlamentarier Kyrkos glaubt, die Regierung in Athen habe es auch so gewollt, damit sie möglichst frei schalten und walten könne. Allerdings unterliegen auch nicht systemische Kreditinstitute einer Kontrolle, und zwar durch die jeweils zuständige Zentralbank. Womit sich die Frage stellt, ob die griechische Notenbank bisher alles richtig gemacht hat.
"Wenn die Attica-Bank keinen guten Job gemacht hat, dann hat wohl auch die Notenbank keinen guten Job gemacht und muss ebenfalls kontrolliert werden", sagte jungst Transportminister Christos Spirtzis.
Notenbankchef Jannis Stournaras war Finanzminister der konservativ geführten Vorgängerregierung. Den Regierenden in Athen ist er daher ein Dorn im Auge. Als Stournaras Mitte September die neuen Kandidaten der Linkspartei für den Vorstand der Attica-Bank wegen fehlender Qualifikation ablehnte, führten Antikorruptionsermittler eine Razzia im Werbebüro seiner Frau durch und prüften mögliche Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit einer früheren Kampagne des Gesundheitsministeriums.
Vielleicht war das nur Zufall. Jedenfalls kamen Tsipras und Stournaras 48 Stunden später zu einer Unterredung zusammen und einigten sich auf einen neuen Bank-Vorstand, den Marktkenner als kompetent bezeichnen.
Der Gescholtene verspricht Besserung
In der vergangenen Woche veröffentlichte der neue Attica-Vorstand erstmals eine Stellungnahme zu der gegen sie gerichteten Kritik. Die neue Führung verspricht Besserung und kündigt einen neuen Geschäftsplan an, der allerdings nicht näher konkretisiert wird. Angedeutet werden Einsparungen von Personalkosten, etwa durch ein Programm für ein freiwilliges Ausscheiden langjähriger Arbeitnehmer. Zudem gibt der Vorstand an, bereits Maßnahmen zur Risikominimierung getroffen zu haben.