"Krank, was die da machen!"
12. November 2014Die Protokolle sprechen Bände: "Ich sag dir, wenn wir fertig sind - halt es absolut geheim, Bruder." Die Chats der in den jüngsten Bankenskandal verwickelten Händler zeigen neue Abgründe der Branche auf.
Die von der Schweizer Finanzaufsicht veröffentlichten Zitate offenbaren eine Macho-Subkultur, die an Gruppenchats bei Online-Killerspielen erinnert: "Das sind geile Hunde. Krank, was die da machen", heißt es da. "Nennt mich Legende!!", brüstet sich ein Händler, den Markt ausgetrickst zu haben.
Kaum etwas im Finanzgeschäft scheint vor den selbsternannten Herren des Universums sicher gewesen zu sein. Geldwäsche, Insider-Geschäfte, Zinsmanipulationen, dubiose Hypothekendeals - ein Skandal folgte in den letzten Jahren auf den anderen.
Diesmal geht es um geheime Preisabsprachen: Per Knopfdruck verschieben einige wenige Händler von Banken binnen Sekunden Milliarden und nehmen damit massiven Einfluss auf Geschäfte von unzähligen Menschen und Unternehmen. Dabei spielten viele Banker offenbar nach ihren ganz eigenen Regeln, um sich einen Vorteil für die Geschäfte ihrer Häuser zu verschaffen.
Trügerische Sicherheit
Laut Ermittlungen der britischen Finanzaufsicht schlossen sich Händler verschiedener Banken in diskreten Kreisen zu Gruppen mit Namen wie "Das A-Team", "Die drei Musketiere", "The Players" oder "1 team, 1 dream" zusammen, um gemeinsam den restlichen Devisenmarkt auszutricksen.
Aufsichtsbehörden in Großbritannien, den USA und der Schweiz verhängten am Mittwoch Bußgelder von insgesamt knapp 4,3 Milliarden US-Dollar (3,5 Milliarden Euro) gegen die Citigroup, HSBC, JPMorgan, die Royal Bank of Scotland (RBS), die UBS und die Bank of America. Das dürfte erst der Anfang sein: Analysten rechnen mit Gesamtstrafen im zweistelligen Milliardenbereich.
Dabei schien gerade die Beeinflussung von Währungskursen praktisch unmöglich. Täglich werden rund fünf Billionen Dollar in diesem Bereich umgesetzt, allein das schiere Ausmaß sollte Manipulationen verhindern oder zumindest extrem schwer machen, hieß es lange von Experten. Als Argument wurde gern angeführt, dass selbst Notenbanken, die unbegrenzt Geld drucken können, kaum zuverlässig frei schwankende Devisenkurse kontrollieren können.
Kleiner Eingriff - großer Ertrag
Doch um große Kurssprünge ging es den Händlern auch nicht. Ihnen genügten bereits winzige Kursveränderungen, um eigene Geschäfte zu fördern. Dazu sollen sie geschickt den kurzen Moment rund um das sogenannte Londoner Fixing von 16 Uhr genutzt haben, um sich abzusprechen.
Bei dem Termin werden in exklusivem Kreis die Referenzkurse ermittelt, an denen sich dann die internationalen Währungsmärkte orientieren - Finanzgeschäfte in Billionenwert hängen von diesen sogenannten Benchmark-Daten ab.
Durch ihre Absprachen konnten die Händler dem Gesamtmarkt zuvorkommen - eine Praxis, die im Slang der Finanzprofis als "Front Running" bezeichnet wird. "Nennt mich Legende!! Front-Run-Legende" - mit diesen Worten feierte sich ein UBS-Händler den Chatprotokollen zufolge nach erfolgreicher Marktmanipulation.
Um das Vertrauen wieder herzustellen, bemühen sich die Banken jetzt um interne Verbesserungen. Allein die US-Großbank JPMorgan will in diesem Jahr vier Milliarden Dollar in bessere Kontrollen stecken, bei der Deutschen Bank sind bis 2015 dafür eine Milliarde Euro vorgesehen.
Experten sehen aber vor allem die Politik gefordert, stärker in den Markt einzugreifen. Viele halten es für einen Fehler, dass sich die Zentralbanken aus der Festsetzung von Währungskursen weitgehend verabschiedet haben.
Zudem gilt die zunehmende Konzentration des Marktes auf wenige Banken als Einfallstor für Absprachen. Darüber hinaus beruht ein Teil der Kurse auf der freiwilligen Zulieferung von Marktteilnehmern. Dass damit der Bock zum Gärtner gemacht werden kann, zeigen die Chats überdeutlich.