Baltimore: Gefährdet die eingestürzte Brücke den Welthandel?
27. März 2024In den frühen Morgenstunden des 26. März brachte das mit 5000 Containern beladene Schiff Dali eine Brücke in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland zum Einsturz. Die Dali sollte nach Colombo auslaufen, als das Unglück geschah. Die ersten Befürchtungen bestätigten sich: Bei dem Unfall kam ungefähr ein halbes Dutzend Menschen ums Leben.
Auch eine weitere Annahme bestätigte sich schnell: Der Hafen der US-Ostküstenmetropole ist gesperrt worden. Etwa 40 Schiffe, die zum Auslaufen bereit waren, können ihre Liegeplätze nicht verlassen. Vom Atlantik kommende Schiffe können die Monument City Baltimore bis auf Weiteres nicht anlaufen.
Eine andere Reaktion erfolgte ebenso prompt: Die Maersk-Aktien brachen in Kopenhagen um 2,6 Prozent ein. Ein Analyst des Online-Brokers Nordnet sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Auf lange Sicht ist dieses Ereignis kein wichtiger Impuls für den Aktienkurs - es sei denn, es kommt etwas Unerfreuliches dazu, wie Hinweise auf grobe Fahrlässigkeit als Hintergrund des Unfalls." Laut Online-Dienst Bloomberg reagiert auch Gregory Daco, Chefökonom bei der Unternehmensberatung EY, gelassen: "Ich denke, dass die makroökonomischen Effekte begrenzt bleiben werden."
Wer soll das bezahlen?
Auf die wirtschaftlichen Folgen des Einsturzes wies US-Verkehrsminister Pete Buttigieg hin. Man werde sich nun auf Lieferkettenprobleme einstellen müssen, "von denen wir wissen, dass sie kommen werden", sagte er bei einer Pressekonferenz. Diese beträfen nicht nur die Stadt und ihre Umgebung, "sondern die gesamte US-Wirtschaft".
US-Präsident Joe Biden sagte, beim Hafen von Baltimore handele es sich um eine der wichtigsten maritimen Anlaufstellen der USA - insbesondere für den Import und Export von Autos und Kleinlastern. So würden dort 850.000 Fahrzeuge pro Jahr verschifft, davon hingen rund 15.000 Arbeitsplätze ab. Dazu kommt: Die jetzt zerstörte Francis Scott Key Bridge ist eine wichtige Verkehrsader an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Laut Biden überquerten sie vor dem Unfall rund 30.000 Fahrzeuge pro Tag.
Buttigieg bezeichnete die Brücke als "Kathedrale der amerikanischen Infrastruktur". Der Wiederaufbau werde lange dauern: "Es wird nicht schnell gehen, es wird nicht billig sein, aber wir werden gemeinsam wieder aufbauen." Der Präsident hat bereits finanzielle Unterstützung versprochen: "Ich beabsichtige, dass die Bundesregierung die gesamten Kosten für den Wiederaufbau dieser Brücke übernimmt", sagte Biden in Washington. Gerechnet wird mit Kosten zwischen 500 Millionen und 1,2 Milliarden US-Dollar und mindestens zwei Jahren Bauzeit.
Corona reloaded?
Europäische Autobauer, unter ihnen Mercedes, Volkswagen und BMW, unterhalten in der Baltimore-Region eine umfangreiche Infrastruktur zur Verschiffung von Fahrzeugen. Darauf zielt auch der Commerzbank-Handelsexperte Vincent Stamer ab, der am Mittwoch Reuters gegenüber sagte: "Der Handel mit Deutschland dürfte von Umleitungen betroffen sein, denn der Hafen von Baltimore hat sich auf das Löschen von Pkw spezialisiert."
Ford und General Motors haben bereits reagiert und suchen nach Alternativen zum Hafen in Baltimore. Das bestätigt auch Ryan Peterson, Gründer und Chef von Flexport, einem digitalen Frachtdienstleister aus San Francisco: "Firmen haben bereits begonnen, ihre Kapazitäten von der Ost- an die Westküste zu verlegen." Baltimore geschlossen und mehr Verkehr an der Pazifikküste? Das werde zu "Staus und Verspätungen führen". Ein Déjà vu für Firmen und Verbrauchern, so Peterson bei Bloomberg.com: Alles schon dagewesen in der Corona-Krise. Der plötzliche Anstieg von Verkehr in einem Hafen um zehn bis 20 Prozent reiche aus, um alle möglichen Arten von Verzögerungen hervorzurufen.
Auch deutsche Häfen bedroht?
Die Frage, ob auch in Deutschland so etwas passieren könnte, stellte die DW Ulf Kaspera von der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung in Hamburg, einer Einrichtung des Bundesverkehrsministeriums. Er sieht derzeit keine aktuelle Gefahr, fügte aber hinzu: "Welche Sicherheitsmaßnahmen im Detail ergriffen werden, hängt von den Hafenbetreibern ab." In Hamburg etwa sei es für weite Bereiche des Hafens Pflicht, große Schiffe schleppen und bugsieren zu lassen. Der Einsatz von Schleppern könne "solche Unfälle verhindern".
Auch Josef Hegger vom Institut für Massivbau der RWTH Aachen nahm gegenüber der Deutschen Presseagentur Stellung zur Havarie in den USA. Der Hochschullehrer ist Experte für Brückenbau. Man könne, so Hegger, durch die Kombination verschiedener konstruktiver Maßnahmen ein Höchstmaß an Sicherheit erreichen: "So muss der Pfeiler eine gewisse Resilienz haben, dass er nicht beim leichten Anprall schon einstürzt."
Lieber auf Grund als an den Pfeiler
Die Bundesanstalt für Wasserbau hat strikte Regeln aufgestellt, welchen Kräften bei einem Aufprall Brückenpfeiler widerstehen können müssen - abhängig von Schifffahrtsweg und Größe der dort fahrenden Schiffe. Zusätzlich gäbe es auch auf Wasserwegen "Leitplanken", die einen Aufprall verhindern sollen. "Bei den Rheinbrücken sind die großen Pfeiler und Pylone häufig am Rand des Flusses angeordnet, so dass die Flussöffnung komplett frei ist. Gibt es in der Mitte einen Pylon, dann ist er relativ massiv und keilförmig und würde ein Schiff, das dagegen fährt, sozusagen ablenken", so Hegger.
Auch bei den Brücken über den Nord-Ostsee-Kanal oder bei der spektakulären Hamburger Köhlbrandbrücke, die ein Schiff auf dem Weg zum Container-Terminal Altenwerder passieren muss, lägen die Pfeiler meistens am Rande oder außerhalb des Fahrwassers. Schiffe, so Josef Hegger liefen dort eher auf Grund, "bevor sie den Pfeiler mit voller Wucht treffen".
Die Autobahn GmbH des Bundes bestätigt diese Strategie. Die dpa zitierte einen Sprecher der GmbH mit den Worten: "Wir haben für alle Autobahnbrücken über Wasserwege ein sehr, sehr hohes Schutzniveau". Bereits seit Jahrzehnten werde darauf geachtet, dass die Pfeiler nicht in der Fahrrinne stehen und auch manövrierunfähige Schiffe im Ernstfall eher auf Grund laufen würden.