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Bahrain auf der Verhaftungswelle

Diana Hodali16. Juni 2015

Sechs Monate hat er auf sein Urteil gewartet, jetzt wurde es gefällt: Bahrains bekanntester Oppositionsführer Scheich Ali Salman wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Und er ist bei weitem nicht der Einzige.

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Bahrains Scheich Ali Salman ist von der Opposition (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/H. I Mohammed

#FreeSheikhAli oder Freiheit für Ali Salman - wann immer sich die Anhänger der größten regierungskritischen Partei, Al-Wefaq, beim Kurznachrichtendienst Twitter äußern, steht diese Forderung im Vordergrund. Und die Rufe der bahrainischen Opposition werden immer lauter: Denn der schiitische Geistliche und prominente Oppositionsführer wurde jetzt zu vier Jahren Haft verurteilt. Die Begründung: "Anstiftung zum Ungehorsam gegen die Staatsgewalt" und "Beleidigung einer staatlichen Einrichtung".

"Der Vorwurf, mein Mandant habe zum Umsturz des Regimes aufgerufen, wurde fallen gelassen. Das ist sowieso völlig unmöglich gewesen", sagt sein Verteidiger Hasan Radhi bei einer Pressekonferenz nach der Urteilsverkündung. "Wir werden Berufung einlegen, und hoffen, dass man uns beim Berufungsgericht zuhört", fügt er hinzu.

Politische Teilhabe

Das heutige Urteil sei schockierend, erklärt Said Boumedouha, stellvertretender Direktor des Nahost -und Nordafrika-Programms bei Amnesty International. "Scheich Ali Salman wurde ausschließlich dafür verurteilt, dass er friedlich seine Meinung äußerte."

Und seine Meinung ist klar: Der schiitische Geistliche fordert eine gleichberechtigte politische Teilhabe der mehrheitlich schiitischen Bevölkerung. Nur zwei Tage, nachdem er bei seiner Wiederwahl zum Parteichef der Al-Wefaq die Regierung erneut dazu aufforderte, ernsthafte Reformen zu erlassen, wurde er festgenommen.

Im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings: Proteste in Bahrain (Foto: DPA)
Im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings: Proteste in BahrainBild: picture-alliance/dpa

Proteste und Opposition unterdrücken

2011, als in einigen arabischen Staaten die Menschen gegen ihre absoluten Herrscher begehrten, war Bahrain die einzige Golfmonarchie, in der ebenfalls eine Arabellion stattfand. Wenn auch nicht lange. Denn die Königsfamilie um Hamad bin Isa al-Chalifa rief Saudi-Arabien um Hilfe: Die Proteste wurden blutig erstickt. Mindestens 89 Menschen wurden seit 2011 getötet, zahlreiche Demonstranten wurden gefoltert und sind bis heute in den Gefängnissen verschwunden. Damals schrie der Westen auf, die USA stoppten ihre Waffenlieferungen an Bahrain - bis heute.

Tatsächlich geht das bahrainische Herrscherhaus mit Oppositionellen hart ins Gericht. Und meistens sind die Oppositionellen Schiiten. Das liegt daran, dass etwa 70 Prozent der Einwohner Schiiten sind. In der Regierung hat jedoch die sunnitische Minderheit das Sagen und sie schließt die Bevölkerungsmehrheit systematisch aus allen Schlüsselpositionen in der Gesellschaft aus. Hinzu kommt, dass die schiitischen Dörfer im Königreich meist unterentwickelt sind. Außerdem ist die Arbeitslosigkeit in der schiitischen Bevölkerung viel höher als in der sunnitischen. Die Schiiten fühlen sich sozial, wirtschaftlich und politisch diskriminiert, wie beim Thema Wahlen zum Beispiel.

Wahlbezirke nicht gleichberechtigt

Schiiten dürfen nur über weniger als 50 Prozent der Sitze entscheiden. Schiitische Wahlkreise sind mit bis zu 30.000 Stimmen meist sehr groß. Sunnitische Wahlkreise hingegen sind mit etwa 3.000 Stimmen überwiegend klein. Jeder Wahlkreis kann jeweils über einen Abgeordneten abstimmen, so dass eine künstliche Mehrheit an Sunniten im Parlament hergestellt wird.

Vor der Parlamentswahl im November 2014 erklärte Scheich Ali Salman: "Ich möchte, dass die Bahrainer gleichberechtigte Bürger sind, aber die Führung des Landes will keine gleichberechtigten Wahlbezirke." Damals zog sich die Al-Wefaq-Partei aus der Parlamentswahl zurück.

Bereits in den 1980er und 1990er Jahren gingen die Schiiten Bahrains auf die Barrikaden. Es folgte jedes Mal zuerst Repression und dann eine Liberalisierungswelle, aber grundlegend geändert hat sich bisher nichts.

Bahrains MenschenrechtsaktivistinMaryam Alkhawaja (Foto: AFP)
MenschenrechtsaktivistinMaryam Alkhawaja wurde auch inhaftiertBild: M. Al-Shaikh/AFP/Getty Images

Keine Kritik aus dem Westen

Die Führung in Bahrain begründet ihr Vorgehen damit, dass die Demonstranten aus der schiitischen Zentrale in Teheran gelenkt würden. Eine Begründung, die besonders in diesen Zeiten international auf viel Gehör trifft. Und spätestens seit sich die kleine Golfmonarchie an den Luftschlägen der von den USA angeführten Anti-IS-Koalition beteiligt, ist aus dem Westen kaum noch Kritik an Bahrain zu hören. Einem Bericht der Internetseite BloombergView zufolge soll der US-amerikanische Außenminister John Kerry seinem bahrainischen Amtskollegen bei einem Treffen im Mai in Paris zugesagt haben, sich dafür einzusetzen, dass das Waffen-Embargo aufgehoben wird.

Über 3200 politische Gefangene sollen derzeit in Bahrains Gefängnissen einsitzen. Besonders zum Jahreswechsel 2014/2015 sah das Königshaus offenbar den Weg frei für eine beispiellose Urteils-und Verhaftungswelle. Menschenrechtsaktivist Nabeel Rajab wurde nach zwei Jahren Haft zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Oppositionsführer Scheich Ali Salman wanderte ins Gefängnis und muss nun vier Jahre einsitzen.

Neue Proteste möglich

Festgenommen wurden auch die junge Menschenrechtlerin Maryam Alkhawaja und ihre Schwester Zainab - kurze Zeit später aber wieder freigelassen. "Mit diesem Urteil gegen Scheich Ali hat die Regierung bewiesen, dass sie offenbar nicht den Willen hat, das Land zu reformieren", schreibt die bahrainische Ko-Direktorin des Golfstaaten-Zentrums für Menschenrechte Maryam Alkhawaja auf ihrem Twitter-Profil. "Damit fordert sie die Bevölkerung förmlich auf, auf die Straße zu gehen."

Doch in der Hauptstadt Manama werden sie das vermutlich eher nicht tun. Dort wurden seit den Protesten von 2011 Demonstrationen der Opposition systematisch verhindert und Versammlungen verboten. In den schiitischen Dörfern haben die Proteste allerdings nie aufgehört, nur wurde selten darüber berichtet.