"Baby-Hitler" ist "keine Grenzüberschreitung"
16. Oktober 2017Er habe am "rechten Rand gefischt", Stimmung gegen Muslime gemacht und die konservative Volkspartei ÖVP näher an die Rechtspopulisten der FPÖ gerückt: Die deutschen Medien haben im Wahlkampf viel Kritik an Sebastian Kurz geübt.
Nach dem Wahlsieg des 31-Jährigen legt das Satiremagazin "Titanic" mit einem Hitler-Vergleich nach. "Zeitreise in Österreich - Endlich möglich: Baby-Hitler töten!" ist auf einem Twitterposting zu lesen, das ein Porträt des möglichen künftigen österreichischen Bundeskanzlers zeigt. Auf seiner Brust prangt ein Fadenkreuz. Eine strafbare Grenzüberschreitung, wie ein Twitter-User als Reaktion auf den Post schreibt? Die österreichische Polizei jedenfalls ermittelt. Fragen an den Medienanwalt Christian Solmecke:
DW: Herr Solmecke, erkennen Sie in der Karikatur der Satirezeitschrift einen Aufruf zum Mord?
Christian Solmecke: Wenn man schauen will, ob ein Aufruf strafrechtlich relevant ist, muss man immer das Gesamtbild sehen. Und hier kann man eindeutig sagen, dass zumindest ein Mordaufruf, der ernst zu nehmen wäre, in dieser Form nicht zu erkennen ist. Insofern glaube ich, dass man diesbezüglich die Grenzen nicht überschritten hat. Die Frage ist natürlich, ob in dem Posting eine Beleidigung zu sehen sein kann.
Ist es aus Ihrer Sicht eine Beleidigung, den womöglich künftigen österreichischen Bundeskanzler als Baby-Hitler zu titulieren?
Hier ist natürlich mit einem krassen Vergleich gearbeitet worden. Wenn man einen Menschen mit Hitler gleichstellt, ist das auf jeden Fall überspitzt. Die Satire ist zumindest in Deutschland allumfänglich geschützt. Da gibt es nur ganz wenige Ausnahmen, wann die Schwelle zur Beleidigung wirklich überschritten ist. Gerade Politiker, die selbst auch ziemlich hart austeilen, müssen hinnehmen, dass sie selbst auch mit überspitzten Angriffen seitens des Satiremagazins rechnen müssen. Und insofern glaube ich, dass ein Gericht dazu kommen wird, dass dieses Posting jedenfalls noch erlaubt ist.
Also bewegt sich das Posting noch im normalen Rahmen?
Auch wenn es für den einen oder anderen befremdlich vorkommen mag und man den Witz nicht versteht oder als schlechten Witz ansieht, liegt das noch im Rahmen der Meinungsfreiheit. Hier wird darauf hingewiesen, dass Sebastian Kurz sehr weit rechts steht. Natürlich wird überspitzt darauf hingewiesen, aber genau das ist Satire: überspitzt darauf hinweisen. Und die Meinung der "Titanic" ist offenbar, dass hier der falsche Politiker vor der Kanzlerschaft steht und der im politischen Spektrum zu weit rechts.
Wie problematisch ist in diesem Fall, dass der Tod eines Menschen angedeutet wird?
Hier wird zwar der Tod eines Menschen angedeutet und man sieht ja auch noch das Fadenkreuz, was auf ihn ausgerichtet ist. Aber der Gesamtkontext, also das Posting über das Satiremagazin, spricht dafür, dass das jedenfalls kein konkreter Mordaufruf ist. Insofern gehe ich nicht davon aus, dass die Staatsanwaltschaft überhaupt Ermittlungen aufnehmen wird. Und wenn, dann wird sie die Staatsanwaltschaft schnell wieder einstellen.
Christian Solmecke arbeitet als Anwalt für Medienrecht in Köln.