"Alle Anderen" im Kino
16. Juni 2009Ein junges Paar fährt in den Urlaub und gerät dort in eine Krise. Soweit die Grundkonstellation eines deutschen Films, der den Titel "Alle Anderen" trägt. Diese nicht gerade ungewöhnliche Geschichte wurde auf der diesjährigen Berlinale gleich mit zwei Silbernen Bären ausgezeichnet. Die Schauspielern Birgit Minichmayr bekam einen Bären als beste Hauptdarstellerin, die Regisseurin Maren Ade erhielt für ihren zweiten Spielfilm den Großen Preis der Jury. Jetzt können sich die Zuschauer "Alle Anderen" in den Kinos ansehen.
Vergleiche mit Klassikern
Einige Kritiker zogen im Februar schon Vergleiche mit den Filmklassikern "Szenen einer Ehe" von Ingmar Bergman und "La Notte" von Michelangelo Antonioni. Die Vergleiche sind gewagt, aber nicht abwegig. Allerdings wirkt "Alle Anderen" keineswegs wie ein klassisches Drama. Es gibt durchaus heitere Momente. Zum Bespiel wenn sich Gitti, gespielt von Birgit Minichmayr, eine unkonventionelle Erziehungsmaßnahme für die fünfjährige Nichte ihres Freundes Chris (Lars Eidinger) einfallen lässt. Als sie das Gefühl hat, dass diese sie ablehnt, fordert sie das Kind auf, sie anzubrüllen ("Ich hasse dich!") und spielerisch zu "erschießen".
"Du musst mal was riskieren!"
Gitti ist eine Freundin klarer Worte. Aber nicht jede Auseinandersetzung ist so zu gewinnen. Denn Gitti und Chris, die PR-Frau und der Architekt, haben unterschiedliche Lebensvorstellungen. Die treten bei ihrem Urlaub auf Sardinien richtig hervor. Während sie an eine gemeinsame Zukunft und Kinder denkt, ist Chris ganz in seine Arbeitswelt versunken. Ein verlorener Architektur-Wettbewerb nagt an seinem Selbstbewusstsein. Plötzlich stellt er alles in Frage: Seine Arbeit, sich selbst und die Beziehung mit Gitti. "Du musst mal was riskieren. Du hast Angst, dich mit irgendwas festzulegen", versucht diese seinen Ehrgeiz anzustacheln. Doch Chris reagiert nur abwehrend. Diese Abwehrhaltung wird allmählich stärker.
Krisenausbrüche in der Abgeschiedenheit
Es fällt auf, dass deutsche Filmemacher in letzter Zeit gern im Ausland drehen, wenn sie Beziehungen thematisieren. ("Nichts als Gespenster", "Kirschblüten – Hanami") Doch für die Autorin und Regisseurin Maren Ade ging es nicht darum, eine Entfremdung auch äußerlich darzustellen: "Es war kein Flüchten vor Deutschland oder deutschen Motiven. Ich fand einfach diese Urlaubssituation interessant für den Film, weil es etwas sehr Konzentriertes hat. Und weil ich das Gefühl hatte, man kann in so einer Abgeschiedenheit das Innenleben des Paares besser schildern", beschreibt sie die Gründe für ihre Entscheidung auf Sardinien zu drehen.
Kammerspiel unter blauem Himmel
Die 32jährige Regisseurin lässt ihren Protagonisten viel Zeit und Raum für die Szenen. Oft entwickeln sich diese auf der Basis längerer Dialoge. Manchmal fühlt man sich ein bisschen wie im Theater. Allerdings spielen Lars Eidinger und Birgit Minichmayr nie künstlich oder stilisiert, sondern ganz natürlich und entfalten dabei eine unglaubliche Intensität. Zum Beispiel, wenn Gitti Chris offenbart, dass sie das Gefühl habe, nicht die Richtige für ihn zu sein: "Manchmal sehe ich eine Frau, an der wir vorbeilaufen auf der Straße oder im Restaurant, die so sein könnte. Und dann sehe ich euch beide als Paar. Alles sieht so viel richtiger aus. Meistens sind das auch ganz andere Frauen. Und dann werde ich den Gedanken nicht los, dass ich für dich anders sein sollte."
Ausbruch der Gefühle
Doch Chris kann mit dieser Offenheit wenig anfangen. Seine Krise, die anfänglich eher subtil daherkommt, tritt richtig hervor, als die beiden ein befreundetes Paar treffen. Chris ist ein großer Auftrag durch die Lappen gegangen. Als ihn sein Freund - ein erfolgreicher Architekt - als Romantiker verhöhnt, der zwar technisch höchst versiert sei, aber zu viel Skrupel habe, sich mit Raffinesse und Ellenbogen durchs Geschäftsleben zu schlagen, setzt sich Gitte vehement für Chris ein. Dem ist das allerdings nur peinlich. Die Beziehung droht durch diesen Streit in die Brüche zu gehen.
Euphorische Berlinale-Kritiken
Regisseurin Maren Aden ist eine genau Beobachterin von Normalität. Und sie inszeniert diese konsequent, aber durchaus auch humorvoll. Neben dem exzellenten Drehbuch besticht der Film vor allem durch die Schauspieler. Die Kritiken während der Berlinale im Februar fielen euphorisch aus - vielleicht ein wenig zu euphorisch. Denn "Alle Anderen" erzählt wenig davon, was das Leben der etwa 30jährigen jenseits der Liebe ausmacht. Auch wenn der Zeitgeist von Beziehungen dieser Generation ziemlich genau auf den Punkt gebracht wird.
Autor: Bernd Sobolla
Redaktion: Jochen Kürten