Außenministerin Baerbock: Russland will die OSZE zerstören
30. November 2023Russland will nach Überzeugung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nicht nur die Ukraine zerstören, sondern auch internationale Organisationen wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). "Wir stehen jeden Tag für unsere europäische Friedensordnung ein", sagte Baerbock am Rande eines Treffens der OSZE in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje. Russland versuche aber, diese Zusammenarbeit ebenfalls zu torpedieren. "Und das lassen wir nicht zu", betonte die Grünen-Politikerin.
Baerbock rief die OSZE-Mitglieder auf, sich der Blockade durch Russland entgegenzustellen. Die Zusammenarbeit in der Organisation müsse weiter gestärkt werden, "auch wenn Russland der Arbeit der OSZE in den letzten eineinhalb Jahren massiv Steine in den Weg gelegt hat", sagte die Grünen-Politikerin in Skopje. Die OSZE stehe wie kaum eine andere Organisation für die Sicherheit von mehr als 1,3 Milliarden Menschen, die eine, dass sie gemeinsam in Frieden und Sicherheit und guter wirtschaftlicher Entwicklung leben wollen. Deutschland habe im Jahr 2023 insgesamt 21 Millionen Euro dafür bereitgestellt, dass die OSZE nicht nur technisch weiter funktionieren könne, sondern dass sie auch ihre Arbeit vor Ort leisten könne, betonte die Ministerin.
Lawrow: OSZE "Anhängsel" von NATO und EU
Der russische Außenminister Sergej Lawrow wies die Schuld an der Krise der OSZE ausschließlich dem Westen zu. "Die OSZE wird zu einem Anhängsel der NATO und der Europäischen Union. Die Organisation steht am Rande des Abgrunds", sagte er. Der Westen habe sich für die östliche NATO-Erweiterung und somit gegen die OSZE entschieden.
Mehrere Länder boykottieren
Wegen der Teilnahme Lawrows boykottierten die Ressortchefs der Ukraine sowie der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen die zweitägige Veranstaltung. Auch Polen sagte seine Teilnahme ab und nannte die Anwesenheit Russlands in der nordmazedonischen Hauptstadt "inakzeptabel". Beim Treffen im Vorjahr in Polen war Russland wegen seiner Invasion der Ukraine im Februar 2022 nicht eingeladen gewesen.
US-Außenminister Antony Blinken nahm am Mittwochabend an einem informellen Abendessen in Skopje teil, zu dem Lawrow nicht geladen war. Im Anschluss reiste Blinken noch am Abend weiter in den Nahen Osten. Baerbock hatte am Mittwoch in Brüssel Verständnis für den Boykott osteuropäischer Länder geäußert.
Die Kontroverse um die Teilnahme Lawrows überschattete den Auftakt des Treffens der 57 OSZE-Staaten, an dem bis Freitag etwa 40 Länder auf Ministerebene teilnehmen. "Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine steht im Widerspruch zu allem, was dieser Organisation lieb und teuer ist", sagte der OSZE-Vorsitzende und nordmazedonische Außenminister Bujar Osmani zu Beginn der Ratsversammlung.
OSZE beklagt dramatischen Geldmangel
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa kämpft laut ihrer Generalsekretärin Helga Schmid mit einem bedrohlichen Geldmangel. Bei dem jährlichen Ministertreffen schilderte die deutsche Diplomatin die Auswirkungen der russischen Vetohaltung gegen den Beschluss von OSZE-Budgets. Die OSZE habe dieses Jahr nur dank Spenden von Mitgliedstaaten die Insolvenz abgewendet. Mitarbeiter würden die Organisation verlassen, weil sie sich es "nicht mehr leisten können", für wenig Geld weiterzuarbeiten. Die finanziellen Ressourcen seien "nicht mehr tragbar". "So kann man keine Organisation führen", betonte Schmid, ohne Russland direkt anzusprechen.
Moskau blockiert nicht nur das Budget, sondern auch die Weiterbestellung von Schmid und drei weiteren OSZE-Spitzenvertretern. Die OSZE erlebt derzeit wegen des Angriffskrieges und der Blockadehaltung Russlands eine schwere Krise. Dennoch konnte die Organisation weiterarbeiten. Sie engagiert sich unter anderem für Bürgerrechte und stellt Wahlbeobachter.
Zwist um den künftigen Vorsitz
Umstritten war zuletzt, wer nach Nordmazedonien den Vorsitz der OSZE übernehmen sollte. Russland hatte alle Kandidaten blockiert, die zugleich auch Mitglied der NATO sind. Dies galt vor allem für Estland. Nun ist mit Malta ein Kompromisskandidat gefunden, der die OSZE im nächsten Jahr führen soll. Finnland soll dann 2025 übernehmen. Die Entscheidung fiel bereits vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine, das Land ist deswegen mittlerweile ebenfalls Mitglied der transatlantischen Allianz.
Finnland übernimmt den Vorsitz zum 50. Jahrestag der Schlussakte von Helsinki, dem Gründungsdokument der OSZE. Der 1975 gegründeten Organisation mit Sitz in Wien gehören die europäischen Staaten, die Türkei, die ehemaligen Sowjetrepubliken, die Mongolei, die USA und Kanada an. Nordmazedonien hat aktuell den jährlich wechselnden Vorsitz inne.
kle/se (rtr, dpa, afp)