Außenminister Maas besucht Afrika
2. Mai 2018In der Wahrnehmung der Berliner Politik spielte Afrika in den vergangenen Wochen in erster Linie in Berlin-Mitte eine Rolle. Da ging es im Bezirksparlament um die Umbenennung dreier Straßen, die nach wie vor die Namen notorischer deutscher Kolonialisten tragen. Sie sollen nun umgetauft werden - zum Ärger vieler Anwohner. Diese Woche nun soll die deutsche Afrika-Politik wieder vor Ort spielen, und auch dort droht teilweise Ungemach.
Nur sechs Wochen nach seinem Amtsantritt reist Außenminister Heiko Maas ab Mittwoch (02.05.) zu seinem ersten Besuch auf den Nachbarkontinent Europas. Auf dem Programm stehen mit Äthiopien und Tansania zwei Länder, zu denen Deutschland enge historische und entwicklungspolitische Beziehungen pflegt. Zudem beherbergen beide wichtige Staatenbünde - die Afrikanische Union (AU) sowie die Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC).
Gleichwohl sind es auch zwei Länder, die weit hinter den Erwartungen zurückbleiben: Äthiopien konnte zwar mit Wirtschaftswachstum im zweistelligen Bereich glänzen, machte ansonsten aber vor allem mit Menschenrechtsverletzungen von sich Reden. Tansanias Reformpräsident John Magufuli scheint nach einem furiosen Start inzwischen die Luft auszugehen, sein Land hängt, wenngleich politisch vergleichsweise stabil, weiter am Tropf westlicher Geber.
Afrika-Ermattung im politischen Berlin
Im politischen Berlin ist es dagegen um Afrika ruhig geworden. Noch 2017 jagte eine Initiative die nächste, Afrika war Schwerpunkt der deutschen G20-Präsidentschaft und seine Staatenlenker gaben sich in der deutschen Hauptstadt die Klinke in die Hand.
"2017 war ganz viel Afrika, vielleicht auch ein bisschen zu viel für die Berliner Politik", sagt Afrika-Experte Helmut Asche von der Universität Mainz zur DW. "Obwohl man sagen muss, dass von der Umsetzung her auch von der deutschen Seite längst nicht soviel passiert ist wie wir uns das wünschen würden."
Weder der von Entwicklungsminister Gerd Müller ausgerufene "Marshallplan mit Afrika" noch die von Maas‘ SPD-Parteikollegin und damaliger Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries lancierte Initiative Pro!Afrika konnten Skeptiker überzeugen. Die Afrika-Begeisterung in Berlin ist abgeebbt im Chor der Kritiker, die Ressorts-Eifersüchteleien und eine auf Migrationsabwehr fokussierte Interessenspolitik anprangern.
"Es gibt eine große Erwartungshaltung, die bei den Freunden in Afrika geweckt wurde", sagt Stefan Liebig, Vorsitzender des Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, einem Lobbyverbund von in Afrika engagierten Unternehmen. "Wir haben den Eindruck, dass man auch in Afrika gemerkt hat: Es ist noch nichts davon umgesetzt worden."
Afrikanische Regionalverbünde stärken
Maas hat deshalb bei seiner ersten Reise auf den Kontinent durchaus geschickt Gespräche bei der Afrikanischen Union und der Ostafrikanischen Gemeinschaft anberaumt. Die Botschaft aus Berlin an die reformorientierten Ländern im Süden lautet: Nicht Kleinstaaterei, sondern regionale Integration ist der Schlüssel zu Entwicklung und Stabilität.
Und in der Tat: Die AU mit Sitz im äthiopischen Addis Abeba hat sich von einem zahnlosen Papiertiger zu einem zunehmend gewichtigen Akteur der panafrikanischen Politik entwickelt, dem Deutschland über die langjährige Förderung des zentralen Friedens- und Sicherheitsrates eng verbunden ist. Der ruandische Präsident und derzeitige AU-Chef Paul Kagame hat eine ambitionierte Reform-Agenda losgetreten, die die Union finanziell unabhängiger und durch Bürokratieabbau schlagkräftiger machen soll.
Weiter im Süden, im tansanischen Arusha im Schatten des Kilimandscharo, ist die im Jahr 2000 nach Vorbild der Europäischen Union gegründete Ostafrikanische Gemeinschaft mit einer Zollunion, einem gemeinsamen Markt und einem einheitliche Zollgebiet Vorreiter in Sachen regionale Integration. Von Deutschland hat es dafür über die Jahre eine finanzielle Unterstützung von 285 Millionen Euro gegeben. Längst läuft nicht alles rund, und die Reform-Geschwindigkeiten von Mitgliedern wie Tansania und Ruanda klaffen erheblich auseinander. "Die Ostafrikanische Gemeinschaft war auf einem guten Weg zu einer Zollunion mit Freihandel im Inneren, also einem konsolidierten, zusammenhängenden Wirtschaftsraum", so Afrika-Beobachter Asche. Doch dann seien die Europäer mit ihren umstrittenen Partnerschaftsabkommen, "den famosen Partnership Agreements" gekommen, sagt der Afrikanistik-Professor. "Das ist ein Stück Politikversagen, und da kann Herr Maas eine Menge besser machen."
Viele Probleme in Äthiopien und Tansania
Auch die bilaterale Partnerschaft mit Tansania macht Sorgen: Der Ende 2015 gewählte Präsident John Magufuli, der zu Beginn den Aufräumer gab und von Einheimischen wie Partnern gleichermaßen gefeiert wurde, geht inzwischen mit harter Hand gegen Journalisten, Blogger, Oppositionelle und sogar die Kirchen vor. "So kann man sich täuschen", sagt Afrika-Experte Asche zur DW. "In der Tat hatten wir gehofft, dass Magufuli dem Schlendrian und der Korruption abhilft." Die Reformpolitik sei nun aber in eine "absurde Repression und ein völlig erratisches Politikverhalten" abgedriftet. Asche weiter: "Man muss sich um das politische System und die Demokratie in Tansania, die ja vergleichsweise stabil gewesen ist in den letzten Jahrzehnten, wirklich Sorgen machen."
In Äthiopien ist die Wechselstimmung dagegen noch recht frisch. Der neue Ministerpräsident Abiy Ahmed hat in seinen ersten Regierungstagen zahlreiche Reformen verkündet, die hoffnungsvoll stimmen für Afrikas zweitbevölkerungsreichstes Land mit seinen 100 Millionen zumeist jungen Menschen. Freilich ist der verhasste Ausnahmezustand nach wie vor in Kraft - und könnte direkt zum Stolperstein für jungen Premier werden. "Es wäre ganz prima, wenn Außenminister Maas mit Abiy reden könnte", findet Asche. "Der Wechsel, der jetzt erfolgt ist, kann wirklich eine Korrektur zum Besseren sein."
Mit allzu großen Erwartungen sollte man die Reise wohl nicht überfrachten. Wenn am Ende die Erkenntnis steht, dass Deutschlands Afrika-Politik kohärenter werden muss und sich nicht im Gestrüpp teilweise widersprüchlicher Initiativen verzetteln darf, dann ist nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres schon einiges gewonnen. Ohnehin spiele die Musik eher in Berlin denn in Afrika, meint Stefan Liebig vom Afrika-Verein: "Ich glaube, dass die Aufgaben des Außenministers gar nicht so sehr in Afrika liegen, sondern eher Hausaufgaben sind. Dass er sich nämlich mit seinen Kollegen in der Bundesregierung zusammensetzen muss und überlegen muss, wie die vielen angekündigten Maßnahmen auch umgesetzt werden können."