Arbeitsmarkt Auszubildende
27. November 201480.000 Ausbildungsplätze sind in Deutschland 2013 unbesetzt geblieben. Selbst kaufmännische Berufe oder eine Lehre in einer Bank ziehen immer weniger Bewerber an. In Deutschland scheint es immer schwieriger, Betriebe und Bewerber zusammenzubringen.
Von "Mismatching" ist die Rede. Qualifizierte Bewerber sind nicht interessiert an einer Lehrstelle, wollen lieber studieren. Diejenigen, die eine Lehrstelle suchen, sind Betrieben dagegen oft nicht qualifiziert genug - ein Dilemma.
Handwerksberufe unbeliebt
Am schwierigsten haben es Handwerksbetriebe, oft kleine Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern. Der Beruf des Bäckers zum Beispiel wird immer unbeliebter, vor allem wegen der Arbeitszeiten. Mitten in der Nacht aufstehen, um in der Backstube zu arbeiten, ist für viele nicht besonders reizvoll. Ähnlich sieht es im Hotel- und Gaststättengewerbe aus.
"Gerade in dieser Branche findet man auch die schlechtesten Ausbildungsbedingungen", sagt Matthias Anbuhl, Leiter der Bildungspolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund. "Fast jeder zweite Ausbildungsvertrag wird hier gelöst, Azubis verdienen besonders wenig Geld."
Branchen, die für Jugendliche wieder attraktiv werden wollen, müssen ihre Ausbildungsbedingungen ändern, eine bessere Bezahlung und gute Perspektiven bieten, fordert der Gewerkschafter. 20.000 Lehrstellen sind 2014 im Handwerk offen geblieben, 5000 mehr als im Vorjahr.
Der demografische Wandel spielt dabei auch eine Rolle. "Das wirkt sich auf alle Wirtschaftsbereiche aus. In Deutschland gibt es immer weniger Schulabgänger", sagt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Die Entwicklung ist besonders in Ostdeutschland zu spüren ist.
Industrie kämpft gegen den Azubimangel
Auch die Industrie kämpft gegen den Azubi-Mangel. Gerade in den wirtschaftsstarken Ballungszentren in Bayern und Baden-Württemberg herrscht ein Überangebot an Lehrstellen, obwohl Unternehmen schon mit guter Bezahlung locken.
Ulrike Friedrich, Referatsleiterin Ausbildung beim Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat eine Erklärung dafür. "Immer mehr Jugendliche sehen ihre Zukunft recht einseitig im Studium - der Run auf die Hochschulen hält seit Jahren an." Das belegen auch die Zahlen. 2013 haben erstmals mehr Schulabgänger ein Studium angefangen als eine Ausbildung.
Vergangenes Jahr konnten nur 29 Prozent der Betriebe alle Lehrstellen besetzen, die Bewerberzahlen sind in den vergangenen zehn Jahren um rund ein Viertel zurückgegangen. Im Handwerk hat man schon angefangen Studienabbrecher zu umwerben. Zudem müssen neue Anreize geschaffen werden.
Unternehmen bieten leistungsstarken Jugendlichen attraktive Entwicklungsmöglichkeiten durch das Angebot von dualen Studiengängen, Zusatzqualifikationen oder Auslandsaufenthalten während der Ausbildung", so Ulrike Friedrich. Manche Unternehmen gehen noch weiter und zahlen Prämien, stellen motivierten Lehrlingen ein Auto oder ein Handy zur Verfügung, das sie kostenlos nutzen können.
Fehlende Ausbildungsreife der Lehrlinge
Ein anderes Problem scheint bei der Suche nach Lehrlingen immer mehr in den Vordergrund zu rücken – die fehlende Ausbildungsreife der Schulabgänger. Zu dem Ergebnis kommt zumindest die Ausbildungsumfrage des DIHK, an der 12.962 Unternehmen teilgenommen haben. Gerade in Mathematik und Deutsch, aber auch bei den sozialen Fähigkeiten habe, laut der Umfrage, das Niveau nachgelassen.
Deshalb haben Unternehmen in den vergangenen Jahren bereits ihre Anforderungen an die Bewerber gesenkt. Ausbildungsexpertin Michaela Kuhnhenne von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sieht das anders. "Tragfähige Belege für mangelnde Ausbildungsreife oder gar deren Zunahme gibt es nicht. Generell sind die Lese- und Mathematikkompetenzen der 15-jährigen laut den Ergebnissen der PISA Studie 2012 im Vergleich zu 2003 gestiegen", sagt Kühnhenne.
Ausbildungsreife werde seitens der Unternehmen in der Regel aus deren spezifischem Anforderungsprofil heraus formuliert. Welche Eigenschaften und Fähigkeiten ausbildungsreife Jugendliche mitbringen müssten, sei variabel und branchenabhängig.
21.000 Bewerber bleiben ohne Ausbildungsplatz
Das erklärt vielleicht auch, warum im Herbst 2013 – trotz eines Überangebotes an Lehrstellen - rund 21.000 Bewerber keinen Ausbildungsplatz bekommen haben. Die Zahl derer, die leer ausgegangen sind, hat seit 2012 um ein Drittel zugenommen, wie der aktuelle Berufsbildungsbericht des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft besagt.
Hinzukommen 62.500 Menschen, die keine Ausbildungsstelle antreten, sondern die Zeit überbrücken mit weiteren Schulbesuchen oder mit Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit. "Es gibt keinen generellen Mangel an Jugendlichen, die eine betriebliche Ausbildung anstreben", sagt Michaela Kuhnhenne. Matthias Anbuhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund wird deutlicher. "Der vermeintliche Azubimangel ist eine Fata Morgana."
Er kritisiert, dass junge Menschen in Maßnahmen wie Bewerbungstrainings, Praktika oder Einstiegsqualifizierungen geparkt werden, in aller Regel ohne Aussicht auf eine abgeschlossene Ausbildung. "Viele dieser Jugendlichen drohen den Anschluss an die Arbeitswelt zu verlieren", so Matthias Anbuhl. "Zurzeit haben in Deutschland nach den amtlichen Statistiken mehr als 1,3 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren keinen Berufsabschluss. Das sind fast 15 Prozent dieser Altersgruppe. Sie werden später kaum ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen können."
Ein Überangebot an Lehrstellen – ein große Zahl von jungen Menschen, die keinen Ausbildungsplatz finden, ein Widerspruch, der Realität auf dem deutschen Ausbildungsmarkt zu sein scheint.