Nigerias Friedenskämpfer
12. Dezember 2013Es ist ihre zweite Deutschlandreise in diesem Jahr: Im Herbst haben der Imam Muhammad Ashafa und der Pastor James Wuye den Hessischen Friedenspreis entgegengenommen. Am Donnerstag (12.12.2013) wurden sie in Berlin mit dem Deutschen Afrika-Preis geehrt.
Der Preis wird jedes Jahr von der Deutschen Afrika-Stiftung an Persönlichkeiten verliehen, die sich in besonderer Weise für Frieden, Demokratie, Menschenrechte, Kultur und Entwicklung auf dem Kontinent stark gemacht haben. Nach Deutschland zu fahren, ist auch für Imam Ashafa eine spezielle Ehre: "Deutschland wird international anerkannt. Wenn man uns dort auf die Schulter klopft und sagt: 'Gut gemacht!', dann wissen wir: Die Menschen hören uns zu."
Seit Mitte der neunziger Jahre setzen sich die beiden Geistlichen aus Nordnigeria für ein friedliches Miteinander der Menschen in ihrer von ethnischen und religiösen Konflikten heimgesuchten Heimat ein. In Kaduna gründeten sie dafür eigens das "Interfaith Mediation Centre".
Gerade die Stadt Kaduna im gleichnamigen Bundesstaat galt ab Mitte der 1980er Jahre als Zentrum religiös motivierter Gewalt. Auslöser dafür waren groß angelegte Auftritte von christlichen Predigern oder die Einführung der Scharia im Norden Nigerias. Manchmal starben innerhalb weniger Tage mehrere hundert Menschen. Die Stadt erntete massenhaft Negativ-Schlagzeilen.
Aus Feinden werden Brüder
Auch die heutigen Friedensstifter Imam Ashafa und Pastor Wuye kämpften gegeneinander. Beide verloren Verwandte und Freunde, Pastor James büßte seinen rechten Unterarm ein. Gemeinsame Sache mit einem Muslim machen? Das wäre ihm damals nicht in den Sinn gekommen. Ein Bekannter brachte die beiden Männer trotzdem zusammen. Aus dem ersten widerwilligen Treffen entwickelte sich über die vergangenen 19 Jahre eine enge Beziehung. "Wir sind Brüder, wir sind Partner, wir sind Kollegen", sagt der Pastor heute. "Wir bleiben zusammen."
Doch ganz alleine können sie die Arbeit nicht schaffen. Im "Interfaith Mediation Centre" in Kaduna unterstützt sie ein Team aus festen Mitarbeitern und freiwilligen Helfern. Viele von ihnen gehören seit Jahren dazu. Samson Auta zum Beispiel. Er kümmert sich im Zentrum um christliche Fragen und Angelegenheiten und wertet mit Kollegen einen Workshop aus. Auf Haussa und Englisch diskutieren sie, ob und wie die Veranstaltung zum Umdenken anregen kann.
Politik beeinflusst den Friedensprozess
Für Samson Auta ist wichtig, im Kleinen etwas zu bewirken, also bei den einzelnen Menschen. "Wir möchten, dass beispielsweise die Bewohner in einem Viertel lernen, ihre Probleme durch Gespräche miteinander zu lösen - und nicht darauf warten, dass die Regierung sie löst." Politiker galten lange Zeit als untätig. Doch auch sie habe die Friedensarbeit erreicht, sagt Auta. "Vertreter kommen zu unseren Veranstaltungen. Außerdem haben wir Kontakte zu den Sicherheitsdiensten. Erfahren wir von möglichen Ausschreitungen, informieren wir sie sofort. Sie können dann Schlimmeres verhindern."
Neun Jahre lang ist Kaduna dadurch friedlich geblieben. Überschattet wurde das jedoch von den Präsidentschaftswahlen im April 2011. Als immer deutlicher wurde, dass Goodluck Jonathan, der Christ aus dem Süden, gewinnen würde, zogen die ersten Jugendlichen durch die Straßen. Sie brannten Autos, Häuser und Kirchen nieder. Vergeltungsanschläge ließen nicht lange auf sich warten. Für Pastor James Wuye war das damals ein riesiger Schock. "Es gab Menschen, die zu mir gesagt haben: James, immer predigst du Frieden. Aber schau dir diese Leute doch an, von denen du sagst, wir sollen mit ihnen zusammen arbeiten. Wie sollen wir ihnen je wieder vertrauen?"
Islamisten schüren Skepsis
Oft sind es schon Kleinigkeiten, die Angst schüren. Etwa jene SMS, die schon vor den Wahlen durch Kaduna geisterten. "Seid auf der Hut. Heute Nacht kommen die Muslime und bringen Christen um", hieß es in den Kurznachrichten. Friedensvermittler in der ganzen Stadt antworteten in einer groß angelegten Aktion mit Nachrichten wie: "Gewalt ist schlecht. Unsere Religionen verbieten das Töten. 'Auge um Auge' macht eine ganze Nation blind."
Heute wirkt sich auch der Einfluss der Terrorgruppe Boko Haram negativ auf den interreligiösen Dialog in Nigeria aus. Dabei lehnen Muslime und Christen die Islamisten in der Regel gleichermaßen vehement ab. Trotzdem hat die Bereitschaft, das Gespräch mit der jeweils anderen Religion zu suchen, besonders in den vergangenen Monaten rapide abgenommen. "Die Muslime stehen hinter Boko Haram", glaubt etwa Musa Asake, Generalsekretär der Christlichen Vereinigung Nigerias (CAN). "Solange wir nicht ehrlich miteinander sind, ist es reine Zeitverschwendung."
In Kaduna lassen sich die Friedensstifter davon aber nicht aus der Fassung bringen. Statt auf Kritiker zu hören, ist Imam Ashafa gerade durch die Auszeichnungen aus Deutschland motivierter denn je: "Es ist ein weiterer Meilenstein in meinem Leben, und es ist eine Herausforderung, noch härter in dieser feindlichen Umgebung für den Frieden zu arbeiten."