Ausstellung "Der Blaue Reiter"
4. September 2016Am Neujahrstag 1911 fand ein historisches Treffen statt, das später die Kunstgeschichte verändern sollte: Wassily Kandinsky hielt sich - wie so oft - in der Atelierwohnung der russischen Künstlerin Marianne von Werefkin in München auf, die in ihrem Salon regelmäßig Maler der Avantgarde empfing. Erstmals tauchte auch Franz Marc als Gast auf. Er verstand sich auf Anhieb mit Wassily Kandinsky. Die beiden verbrachten gleich den ganzen Tag miteinander und besuchten am Abend noch ein Konzert von Arnold Schönberg.
Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine intensive Freundschaft, in der die Maler sich intensiv über die Reform der Kunst austauschten. Sie schrieben sich Briefe und Postkarten, und sie schenkten sich Kunstwerke: 1911 schickte Wassily Kandinsky seinem Freund das Gemälde "Improvisation 12", ein paar Monate später bedankte sich Franz Marc, indem er dem Russen ein Hinterglasgemälde mit einem Porträt des Franzosen Henri Rousseau vermachte. 1912 schließlich formulierten die seelenverwandten Künstler im Almanach "Der Blaue Reiter" gemeinsam ihre Ideen von der "Neuen Kunst". Er wurde zum Synonym für den Aufbruch in künstlerisches Neuland.
Zu dieser Zeit lief auch die legendäre Ausstellung "Der Blaue Reiter" in der Galerie Thannhauser in München. Sie versammelte Werke von gleichgesinnten Malern wie Gabriele Münter, Heinrich Campendonk, Henri Rousseau, Robert Delaunay und natürlich Wassily Kandinsky und Franz Marc.
Die Ausstellung sorgte allerdings für heftige Reaktionen, denn die zumeist konservativen Besucher waren derart moderne Kunst nicht gewohnt und machten das auch deutlich: Sie spuckten auf die Bilder oder zerkratzen ihre Rahmen.
Der Blaue Reiter: Öffnung des Kunstbegriffs
Am Vorabend des Ersten Weltkriegs herrschte dennoch Aufbruchstimmung in Münchens Kunstkreisen. Franz Marc und Wassily Kandinsky ließen sich auf ihrer Suche nach einem neuen Kunstbegriff nicht beirren. Sie wollten die Malerei öffnen und durchlässiger machen für andere Kunstsparten wie Musik oder Theater. "Ihr Ziel war die Befreiung der Farbe vom Zwang, etwas darstellen zu müssen", sagt Samuel Keller, Direktor der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel, die den Künstlern und ihrer Bewegung "Der Blaue Reiter" jetzt eine Ausstellung widmet.
Wie die Bezeichnung damals entstand, kann man im Katalog nachlesen: 1930 erklärte Kandinsky, der Name habe sich eines Tages ergeben, als sie Kaffee tranken: "Beide liebten wir Blau, Marc – Pferde, ich – Reiter. So kam der Name von selbst."
Erster Weltkrieg beendete vorerst den Aufbruch der Moderne
Während sich Wassily Kandinsky in seinen Kompositionen und Improvisationen im Laufe der Jahre komplett vom Gegenständlichen löste, hielt Marc mit seinen schlafenden Pferden oder Hunden noch an einer Körperlichkeit fest.
Die aktuelle Ausstellung und der eindrucksvolle Katalog zeigen, wieviel Zeitkritik in ihren Werken und Schriften steckte. Sie kritisierten den Materialismus des 19. Jahrhunderts als Folge der Industrialisierung und bemängelten auch den zunehmenden Nationalismus am Vorabend des Ersten Weltkriegs 1914. Seltsam ist, warum Franz Marc, 1880 als Sohn einer Elsässerin geboren, den Ersten Weltkrieg als notwendig erachtete und gegen die Franzosen kämpfte. Im Alter von nur 27 Jahren starb er in Verdun.
Der Erste Weltkrieg beendete den für die moderne Malerei des 20. Jahrhunderts prägenden Aufbruch des Blauen Reiters. Nicht nur Marc, sondern auch sein Künstlerkollege August Macke fiel an der Front. Wassily Kandinsky hielt nichts in Deutschland. Im Gegenteil, er musste das Land verlassen, nachdem Deutschland Russland den Krieg erklärt hatte. Gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin Gabriele Münter floh er in die Schweiz und reiste von dort allein nach Moskau weiter.
Die Ausstellung "Kandinsky, Marc & Der Blaue Reiter" ist vom 4. September 2016 bis zum 22. Januar 2017 in der Fondation Beyeler zu sehen.