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Politik

Ausschreitungen vor "Dschungel"-Räumung

23. Oktober 2016

Vor der Räumung des Flüchtlingslagers im nordfranzösischen Calais ist es zu Krawallen gekommen. Die Verlegung der Menschen hat bereits begonnen; viele der Bewohner dürften allerdings untergetaucht sein.

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Mit Tränengas versucht die Polizei die Gruppe zu zerstreuen, aus der Steine geflogen waren
Bild: picture-alliance/abaca/C. Thomas

Aus einer Gruppe von mehreren Menschen am Flüchtlingslager in Calais sind in der Nacht zum Sonntag Steine auf Polizisten geflogen. Diese hätten dann Tränengas eingesetzt, berichtete der Nachrichtensender BFMTV.

Die französische Regierung will das umstrittene Lager von diesem Montag an auflösen. Sie will vor dem Wintereinbruch handeln, um eine humanitäre Krise in dem überfüllten Lager zu verhindern. Dort leben nach offiziellen Angaben etwa 6500 Menschen. Viele von ihnen sind auf dem Weg nach Großbritannien in der nordfranzösischen Hafenstadt am Ärmelkanal gestrandet. Einige versuchen immer wieder, auf Lastwagen versteckt nach Großbritannien zu gelangen. 

Mit Tränengas versucht die Polizei die Gruppe zu zerstreuen, aus der Steine geflogen waren
Mit Tränengas versucht die Polizei die Gruppe zu zerstreuen, aus der Steine geflogen warenBild: picture-alliance/AA/C. Thomas

Die meisten Bewohner des Lagers sollen in rund 160 Aufnahmezentren im ganzen Land umgesiedelt werden. Dies hat bereits begonnen: So kamen im südfranzösischen Pierrefeu-du-Var nördlich von Toulon 14 Menschen an. 80 junge Flüchtlinge mit Hochschulreife wurden ins nordfranzösische Villeneuve-d'Ascq bei Lille gebracht, wo sie einen Französischkurs machen und anschließend ein Studium aufnehmen sollen.

Ein Teil der Menschen, vor allem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, wird von Großbritannien aufgenommen. Fast 1300 von ihnen halten sich in Calais auf. Rund 40 Prozent von ihnen geben an, in Großbritannien Familienangehörige zu haben. Die britische Regierung hat zugesagt, all diese Fälle zu prüfen.

Mindestens 6500 Menschen lebten unter Slum-ähnlichen Bedingunge
Mindestens 6500 Menschen lebten unter Slum-ähnlichen BedingungenBild: imago/ZUMA Press

Wer sich weigert, bei der Schließung des Lagers zu kooperieren, dem droht nach Einschätzung von Hilfsorganisationen die Abschiebung in sein Heimatland. Das gilt etwa für Flüchtlinge, die nicht in die bereitgestellten Busse steigen wollen.

Eine Reihe von Menschen haben den "Dschungel" von Calais bereits verlassen, als die ersten Berichte über die Schließung bekannt wurden. Wie hoch ihre Zahl ist, weiß niemand. Sie dürften weiterhin versuchen, sich von Nordfrankreich aus nach Großbritannien durchzuschlagen.

Ehemalige Bewohner auf dem Weg nach Lille, um an der dortigen Universität Französisch zu lernen
Ehemalige Bewohner auf dem Weg nach Lille, um an der dortigen Universität Französisch zu lernenBild: REUTERS/P. Rosignol

Der Druck auf die Regierung, das Lager zu schließen, war in den vergangenen Monaten immer mehr gestiegen. Geschäftsleute klagen über Umsatzeinbrüche, Lastwagenfahrer fürchten Straßenblockaden durch Migranten. Tag für Tag sind Hunderte Polizisten im Einsatz. Entlang des Fährhafens und der Zugstrecken nach Großbritannien ziehen sich kilometerlange Zäune hin. Dazu kommt die Kriminalität: Erst vergangene Woche gab es Berichte, wonach die Dolmetscherin eines TV-Teams in der Umgebung des Lagers vergewaltigt wurde. Ebenfalls vergangene Woche starb ein Migrant bei einer Schlägerei in dem Camp. Sechs Monate vor der Präsidentenwahl ist Calais zudem zu einem Thema im Wahlkampf geworden.

Frankreich ist deutlich weniger von der Flüchtlingssituation betroffen als beispielsweise Deutschland. Frankreich registrierte im vergangenen Jahr gut 80.000 Asylanträge. Deutschland dagegen nahm knapp 477.000 Anträge an - fast das Sechsfache.

stu/wl (afp, dpa)