Ausruhen verboten
24. Juni 2010Der Knockout der Franzosen erfolgte fast zwangsläufig. Auf dem Platz präsentierten sich die Superstars der "Grande Nation" lustlos, müde und uninspiriert, nach den Partien arrogant und uneinsichtig. Zu den großen Favoriten waren die Franzosen jedoch ohnehin nicht gezählt worden, nachdem sie sich das WM-Ticket erst durch ein Schummeltor im entscheidenden Qualifikationsspiel gegen Irland quasi erschlichen hatten.
Eigentlich wie immer
Im Vergleich dazu kommt das Scheitern der Italiener überraschender. Denn eigentlich hatten sie doch so begonnen wie immer bei großen Turnieren. Nach der Devise: In der Vorrunde nicht verausgaben, Kräfte für die schweren Gegner in den K.o.-Runden aufsparen, langsam steigern! Doch die Italiener verspekulierten sich. Die vermeintlich Kleinen entpuppten sich als Mannschaften auf Augenhöhe. Selbst der krasse Außenseiter Neuseeland trotzte den Italienern ein Unentschieden ab und wäre um ein Haar sogar ins Achtelfinale eingezogen. Mit der Slowakei schickte schließlich ein WM-Neuling die erfahrene Squadra Azzura nach Hause. Hierarchien von gestern zählen nicht mehr.
Ensemble von Diven
Im Fußball der Gegenwart darf sich keine Mannschaft auf Erfolgen ausruhen. Genau so aber verhielten sich Frankreich und Italien. Beide begingen denselben Fehler, die Franzosen allerdings offenkundiger. Weil Raymond Domenech die Equipe Tricolore 2006 zur Vizeweltmeisterschaft geführt hatte, hielt der französische Verband dem Trainer bedingungslos die Treue. Obwohl sich Frankreich bei der Europameisterschaft 2008 blamiert hatte. Obwohl das Verhältnis Domenechs zu seinen Spielern seit langem zerrüttet war. Der alte Trainer hielt an den alternden Stars fest, eine Diva versuchte ein Ensemble von Diven zu führen.
Alter Trainer, alte Spieler
Auch die Italiener versäumten es nach dem WM-Sieg vor vier Jahren in Deutschland, geduldig junge Spieler aufzubauen und ins Nationalteam zu integrieren. Als Italien unter dem neuen Trainer Alberto Donadoni 2008 im EM-Viertelfinale ausschied, wurde Weltmeistertrainer Marcello Lippi reaktiviert. Und wie bei den Franzosen baute auch hier der alte Coach auf die alten Leistungsträger. Doch an denen sind die Jahre nicht spurlos vorbeigegangen. Zu behäbig, zu langsam spielten sie - zu schlecht für eine WM.
Häme unangebracht
Wir sollten uns jedoch vor Häme und Schadenfreude hüten. Im Gegensatz zu Franzosen und Italienern hat der deutsche Fußball seine Hausaufgaben gemacht und kontinuierlich junge Talente auf- und in die Nationalmannschaft eingebaut. Doch viel hat nicht gefehlt, und auch der WM-Dritte von 2006 wäre in der Vorrunde ausgeschieden. Fußball ist eben immer weniger berechenbar und das tut ihm gut.
Autor: Stefan Nestler
Redaktion: Jens Krepela