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Ausreiseverbot für Dschihadisten stellt EU vor Probleme

6. November 2014

Hunderte junge Menschen aus der EU kämpfen in Syrien und im Irak für die Terror-Gruppe "Islamischer Staat". Wie die Ausreise weiterer gewaltbereiter Islamisten gestoppt werden kann, darüber beraten die EU-Innenminister.

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Palästinenser und Sympatisanten demonstrieren in Berlin am Abend des 12.07.2014 gegen die Angriffe Israels auf den Gazastreifen und werden dabei von der Polizei gestoppt. Einer der Teilnehmer trägt den tätowierten Schriftzug "Jihad" auf dem Arm. (Foto: picture-alliance/dpa/M. Lejeune)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Lejeune

Ob aus Deutschland, Frankreich, Belgien oder Großbritannien - viele junge Menschen aus diesen Ländern machen sich auf den Weg über die Türkei nach Syrien oder in den Irak. Dort wollen sie als gewaltbereite Islamisten für die Extremistenorganisation "Islamischer Staat" (IS) kämpfen. Mehrere Hundert sollen es nach Behördenangaben sein. Das stellt alle Länder Europas vor große Probleme, denn die Sorge wächst, dass die kampferprobten Islamisten nach ihrer Rückkehr Anschläge in Europa verüben könnten. Aus diesem Grund setzen viele Behörden nun vor allem darauf, ihre Ausreise zu verhindern. Doch das schafft neue Spannungen und birgt Gefahren. Wie die EU-Länder mit Islamisten, die für die Dschihadisten im Einsatz sind, umgehen sollten und wie sie ihre Unterstützer in Europa stoppen können, darüber beraten an diesem Donnerstag (6.11.2014) die Innenminister der sechs größten EU-Länder (G6) in Paris.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Der Entzug des Personalausweises oder Reisepasses wird in diesem Zusammenhang viel diskutiert. In Frankreich kann künftig die Ausreise von gewaltbereiten Islamisten nach Syrien oder in den Irak leichter verhindert werden, da das Parlament ein entsprechendes Gesetz zum "Kampf gegen den Terrorismus" verabschiedete. Konkret sollen bei Tatverdächtigen Personalausweise und Reisepässe eingezogen werden. Frankreich hat auch den Straftatbestand eines "individuellen terroristischen Vorhabens" eingeführt, mit dem auf die Gefahr von Einzelkämpfern reagiert werden soll. Bisher ist im französischen Strafrecht lediglich von einer "kriminellen Vereinigung im Zusammenhang mit einem terroristischen Vorhaben" die Rede. Das neue Gesetz zielt auch auf islamistische Propaganda im Internet ab. Internetseiten, die den "Terrorismus verherrlichen", sollen gesperrt werden. Aus Frankreich sollen rund tausend und damit die meisten IS-Kämpfer aus Europa kommen.

Einreise potenzieller Attentäter stoppen

Auch in Deutschland wird derzeit ein Entzug von Personalausweisen erwogen. Islamisten sollen nicht mehr die Möglichkeiten haben, über die Türkei nach Syrien zu gelangen. Es dürfe kein "Terror exportiert werden", betont Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Noch viel weniger dürften potenzielle Attentäter zurück nach Europa gelassen werden. Die EU-Innenminister beraten auch darüber, ob auf Daten von Flugpassagieren zuzugreifen ist und diese schärfer zu kontrollieren sind.

Terrorprozess gegen Syrien-Rückkehrer in Frankfurt am Main ARCHIV 15.09.2014
Dieser Dschihad-Kämpfer und Syrien-Rückkehrer muss sich vor Gericht verantwortenBild: picture-alliance/dpa/Boris Roessler

Doch es scheitert bisher an der komplizierten Umsetzung: Um einen Pass entziehen zu können, sind die rechtlichen Hürden in Deutschland hoch. Es muss der «begründete Verdacht» nachgewiesen werden, dass die Reise staatsgefährdenden Zielen dient. An der Rückreise können Inhaber eines deutschen Reisepasses nicht gehindert werden.

Mindestens 20 Deutschen, die nach Syrien wollten, wurde allein seit Jahresbeginn durch die deutschen Sicherheitsbehörden der Pass entzogen. Doch 450 deutsche Dschihadisten gelang die Ausreise nach Syrien - etwa 150von ihnen kehrten zurück. Und trotz entzogener Papiere sei es einzelnen Tatverdächtigen gelungen, aus- und wieder einzureisen, räumte die Bundesregierung ein.

Gesamtgesellschaftliche Verantwortung

Die Sicherheitsbehörden setzen deshalb auf eine verstärkte Überwachung der Islamistenszene sowie auf eine enge Kooperation mit Partnerländern. Doch diese Kooperation läuft nicht immer reibungslos, wie ein Fall in Frankreich zeigte: Drei polizeibekannte Islamisten konnten zu ihrer eigenen Verwunderung den Flughafen von Marseille ungehindert verlassen, nachdem sie aus Syrien zurückkehrten. Denn die Polizei wartete am falschen Flughafen in Paris auf sie, weil die türkischen Behörden nicht rechtzeitig über eine Flugänderung informiert hatten.

Ein großes Problem bleibt dabei die schnelle Radikalisierung junger Europäer durch das Internet, denn sie tauchen nicht auf dem Behörden-Radarschirm auf. Alle potenziellen Islamisten zu überwachen, übersteigt freilich die Kapazitäten von Polizei und Geheimdiensten. So wird verstärkt über Programme etwa an Schulen nachgedacht, um eine Radikalisierung zu verhindern. Denn laut einer Analyse des Verfassungsschutzes hatten die deutschen Behörden bei nur etwa einem Drittel aller Syrien-Kämpfer deren Radikalisierung vor der Ausreise erkannt. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen stellte in diesem Zusammenhang klar, dass sich die gesamte Gesellschaft kümmern müsse: "Die Sicherheitsbehörden können das Problem allein nicht lösen."

pab/ml (afp, dpa, kna)