Aus Grau wird Grün
17. Dezember 2015"Am Anfang waren wir skeptisch", gibt Peter Joppa zu. Die Bürgerstiftung Duisburg hatte sich bei dem Geschäftsführer des städtischen Unternehmens "Frischekontor" nach Flächen erkundigt, die man entsiegeln könnte. Joppa ist zuständig für Gewerbeimmobilien wie Großmarkt und Schlachthof.
Er verwaltet unter anderem ein 32.000 Quadratmeter-Gelände, auf dem jährlich Waren im Wert von 120 Millionen Euro umgesetzt werden.
"Der Großmarkt ist zu 100 Prozent versiegelt, die Flächen sind gut befahrbar. Über Aspekte des Naturschutzes hatten wir uns nie Gedanken gemacht", erinnert sich Joppa.
"Das ist typisch", sagt Dr. Anke Valentin vom WILA Bonn. "Auf die Außengestaltung wird nicht allzu viel Fantasie verwendet", beschreibt die Projektleiterin von "Natur in graue Zonen" die Denk- und Handlungsweise von Unternehmern, Bauherren, Architekten.
Da Neubauten oder Sanierungen oft teurer werden als geplant, müssen die Investoren bei den Außenanlagen sparen. Asphalt ist dann die kostengünstigste Lösung: Er ist schnell angelegt, kaum durch Folgekosten belastend und leicht mit der Kehrmaschine zu pflegen.
Planen Architekten doch mal, einen schmalen Streifen freizulassen, wird der spärlich bepflanzt, mit monotonen, mitunter exotischen und pflegeleichten Bodendeckern. Im tristen Grau fallen die meist gar nicht auf. Aber das Schlimmste:
Versiegelter Boden ist ökologisch tot. Lebewesen können durch den Asphalt nicht mit Sauerstoff versorgt werden. Wasser kann nicht versickern.
Böden ökologisch aufwerten
Der Verein Wissenschaftsladen (WILA) Bonn will das ändern und Natur zurückgewinnen. Seit mehr als 30 Jahren versucht die gemeinnützige Organisation, Bürgern wissenschaftliche Erkenntnisse zu vermitteln, auch im Bereichen Umweltschutz. "Wir verfolgen zwei Ziele: Zum einen wollen wir erreichen, dass Flächen entsiegelt werden. Außerdem legen wir Wert darauf, diese naturnah zu begrünen, um die Artenvielfalt zu fördern", erklärt WILA-Geschäftsführerin Valentin. Allerdings bestehe die Herkulesaufgabe darin, Unternehmen überhaupt davon zu überzeugen, Betonflächen wieder aufzureißen.
Herausforderung in drei Städten
Durch das Projekt "Natur in graue Zonen" sollen Firmen für die Bedeutung des Bodens und die Artenvielfalt sensibilisiert werden. In drei Pilotstädten - Erfurt, Wiesloch und Duisburg - können sich Unternehmen bewerben. "Die Städte sind unterschiedlich. So wollen wir testen, ob das Prinzip funktioniert", erklärt Projektleiterin Valentin die Strategie. Erfurt sei als Landeshauptstadt und Ausrichter der nächsten Bundesgartenschau interessant, gefördert zu werden. Die Kleinstadt Wiesloch wurde ausgewählt, obwohl man annehmen könnte, dass dort keine Flächen mehr entsiegelt werden müssen. Außerdem entschied sich das Projektteam für die zum Großteil versiegelte Ruhrgebiets-Großstadt Duisburg.
Und so ergab sich der Anruf für Peter Joppa: "Wir haben erst abgelehnt, aber die Leute von der Bürgerstiftung waren sehr hartnäckig." Marktmanager und Ehrenamtler fanden bei einer Begehung geeignete Flächen. "Ein bisschen grün sähe hier bestimmt nicht schlecht aus", musste Joppa einräumen. Die Pläne der vom WILA Bonn beauftragten Landschaftsarchitektin überzeugten Joppa schließlich restlos, um sich auf die Unternehmung einzulassen. Die Kosten für die Entsiegelung und die Entsorgung des Belages musste das städtische Unternehmen allerdings selbst tragen. Mit eigenen Handwerkern sollte das Vorhaben nicht allzu teuer werden. Als die Mitarbeiter auf eine undefinierbare Schicht unterhalb des Asphalts stießen, musste "Frischekontor" ein Gutachten erstellen lassen. Doch der Verdacht auf Altlasten im Boden, die aufwendig hätten abgetragen werden müssen, bestätigte sich nicht.
Danach sprang der WILA Bonn ein: Mit Fördermitteln aus Stiftungen und vom Bund wurden die Pflanzen und die Neugestaltung der 90 Quadratmeter großen Beete bezahlt. Außerdem erhielt die Firma Tipps zur Pflege. "Es sind immer öffentlich zugängliche Flächen, so dass Kunden, Mitarbeiter, Nachbarn und Passanten die Umgestaltung sehen können."
In Duisburg griff sogar der Oberbürgermeister zur Schaufel, und unter großem Medieninteresse wurde das Ergebnis vorgestellt. Infotafeln erklären die Bedeutung der naturnahen Bepflanzung. "Die Anlagen sind für manche Kunden gewöhnungsbedürftig", erfährt Peter Joppa immer wieder. Hin und wieder werde die Großmarktleiterin aufgefordert, Unkraut zu jäten. "Sie muss den Leuten dann erklären, dass es sich bei den Pflanzen um Wildkräuter handelt, die so stehen gelassen werden, damit sie sich bewusst entfalten können."
Naturnahe Flächen statt konventionell angelegte Grünanlagen
Die Initiatoren des Projekts legen Wert darauf, den Boden zu beleben, so dass Wasser versickert und sich Organismen vermehren können. Doch sie wollen auch die ökologische Vielfalt fördern durch Trockenmauern und heimische Flora. "Viele Pflanzen werden heute so gezüchtet, dass sie nicht mehr viel Nahrung bieten für Schmetterlinge, Bienen und Co.", argumentiert Anke Valentin. Forsythien seien so ein Beispiel. Schön gelb, auf große Blüte gezüchtet, haben sie jedoch keinen Nektar als Nahrung für Insekten zu bieten.
Ist es nicht absurd, zunächst Böden zu versiegeln, um dann das Ganze rückgängig zu machen? Anke Valentin kann sich bei der Frage ein bitteres Lachen nicht verkneifen: "Es ist für viele Unternehmen der gängige und einfache Weg, obwohl man Parkplätze nicht unbedingt asphaltieren muss. Wir wollen mit dem Projekt gerade zum Nachdenken und zum Nachahmen animieren."
Grüne Visitenkarten
Peter Joppa jedenfalls hat jetzt einen anderen Blick für die Natur entwickelt. Und er hält die Augen offen, um weitere versiegelte Flächen zu finden, die bepflanzt werden könnten. "Vielleicht können wir auch Bänke aufstellen, um die Bürger dort für die Natur zu sensibilisieren." Duisburg sei zwar als Industriestandort bekannt mit dem größten Binnenhafen Europas. Außerdem sei die Stadt schon sehr grün, und doch meint der Manager: "Wir müssen in der Richtung weiter denken."
Anke Valentin erfreut derartige Resonanz. Ihr Projekt, um mit einfachen Mitteln mehr Natur in die Stadt zu bringen, hat 2015 für nachhaltigen Boden-, Klima-, und Artenschutz drei Auszeichnungen erhalten. Und die Fördergelder sind, so Valentin, noch nicht verbraucht: "Es können sich noch mehr Unternehmen melden. Doch die meisten haben noch gar nicht über die Vorteile der Entsiegelung nachgedacht."