Ein Gespräch mit dem Gründer eines syrischen Exilorchesters
29. Oktober 2018DW: Wie kam es zur Orchestergründung?
Raed Jazbeh: Ich habe ab 2007 an verschiedenen Musikprojekten für Jugendliche, Hobby- und Berufsmusiker in Syrien gearbeitet. Nachdem ich 2013 in Deutschland angekommen war, initiierte ich verschiedene Projekte, in denen syrische Musik von deutschen Orchestern gespielt wurde. Dann hatte ich die Idee, ein Orchester aus in Europa lebenden syrischen Berufsmusikern zu gründen, vor allem, um einen Ausspielweg für syrische Musik zu etablieren. Ich habe mich mit früheren Mitstudenten in Damaskus in Verbindung gesetzt, und nach zehn Monaten harter Arbeit hatten wir dann unseren ersten Konzertauftritt im September 2015 in Bremen.
Die Mitglieder leben in verschiedenen Ländern. Wie viel Zeit können Sie also zusammen verbringen?
Da man kein Visum braucht, ist das Reisen in der EU einfach. Meist kommen wir drei Tage für Orchesterproben irgendwo in Europa zusammen, proben morgens bis abends und haben dann am vierten Tag einen oder zwei Auftritte.
Aber wie oft geht das im Jahr?
Wir haben keine Finanzierung und keinen Etat, um unsere Termine selber zu setzen. Wir treten ausschließlich nach Einladung auf, der Gastgeber übernimmt dann die Reise-, Unterkunfts- und Saalkosten und den Rest. Wir versuchen, alle paar Monate zusammen zu kommen. Wir müssen ja auch unsere Programme erneuern. Einige der Stücke, die wir jetzt in Hamburg spielen werden, haben wir schon mal gemacht, andere sind neu.
Ich nehme an, dass die Musiker Syrien nicht freiwillig verlassen haben, sondern als Reaktion auf die Zerstörung des Landes, auch seiner Kultur. Ist das Syrian Expat Philharmonic Orchestra eine feste Einrichtung, oder könnten Sie sich vorstellen, dass es sich wieder auflöst, sollte es in Syrien wieder Frieden geben?
Das ist eine wichtige Frage. Wir sind und bleiben ein Orchester aus Syrern, die in Europa leben. Sollte der Krieg zu Ende gehen – und ich hoffe, das geschieht bald – würde das Orchester fortbestehen, auch wenn einige seiner Mitglieder nach Syrien zurückkehren sollten. Unsere Existenz hängt also nicht von dem ab, was ab jetzt in Syrien passiert.
Nimmt das Orchester einen Standpunkt zu aktuellen Themen ein oder ist es apolitisch?
Jedes Mitglied hat seine oder ihre Meinung zu politischen oder religiösen Themen. Aber als Orchesterprojekt ist unsere einzige Ideologie eine Antikriegshaltung, wo immer es Kriege gibt. Natürlich wünschen wir uns und unseren Zuhörern ein besseres Leben, und vielleicht kann man aus der Musik Hoffnung schöpfen.
Wie ist es derzeit mit kreativer Arbeit in Syrien bestellt? Arbeiten Sie mit Komponisten dort?
Das würden wir tun, wenn wir welche kennten, aber alle Komponisten des Landes, die wir kennen, leben jetzt im Exil. Wir würden aber sehr gern mit Arrangeuren zusammen arbeiten, die das musikalische Erbe des Landes erhalten wollen.
Was steht bei Ihnen auf dem Programm?
Zwei Sachen: Zuerst, Musik, die für Sinfonieorchester komponiert wurden. Aber am meisten spielen wir Werke, die auf traditionellen musikalischen Motiven oder Elementen basieren, die dann ins symphonische Format übertragen wurden. Dazu kommen hin und wieder Stücke aus dem Mainstream-Klassikrepertoire.
Spiegelt die Musik Zustände in Ihrer Heimat oder die Situation der Menschen dort wider, oder ist das einfach Kunst um Kunst willen?
Natürlich schaffen einige Komponisten Werke, die diese schwierigen Zeiten zum Ausdruck bringen. Andere dafür nicht. Wir spielen Musik, schlicht und einfach. Wir wollen keine Botschaft senden, nur die Schönheit mit unserem Publikum teilen.
Und wie reagiert das Publikum?
Erstaunlich: Wir sind überrascht, wie klar die Zuhörer in Deutschland und Europa die Bilder, die die Musik enthält, verstehen – auch wenn es um orientalische Melodien und Motive geht. Manchmal sind sie zu Tränen gerührt. Nach den Konzerten wollen die Leute mit uns diskutieren, was sie in der Musik wahrgenommen haben. Also, Musik ist wirklich die internationale Sprache. Jeder kann sie verstehen. Ich halte Europäer für sehr offen neuen kulturellen Eindrücken gegenüber, und sie begreifen sie auch sehr gut.
Der syrische Musiker Raed Jazbeh gründete das Syrian Expat Philharmonic Orchestra (SEPO) 2015. Die rund 75 Mitglieder spielen in der normalen Orchesterbesetzung mit Streichern, Blech, Holzbläsern und Schlagzeug, gelegentlich ergänzt durch Instrumente aus dem Nahen Osten. In den drei Jahren seit der Gründung des Orchesters hat es in allen Teilen Europas gespielt. DW-Redakteur Rick Fulker sprach mit dem Gründer kurz vor dem Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie am 29. Oktober.